Streit mit der Türkei : Parlament stimmt für Bundeswehr-Abzug aus Incirlik
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461 Abgeordnete unterstützen einen Antrag von Union und SPD, der die Verlegung von sechs „Tornado“-Aufklärungsflugzeugen (Bild), eines Tankflugzeugs und rund 260 Soldaten nach Jordanien befürwortet. Bild: Reuters
Der Bundestag hat sich mit großer Mehrheit für den Abzug ausgesprochen. Grund ist ein türkisches Besuchsverbot für Abgeordnete bei den deutschen Soldaten in Incirlik. Ein neuer Standort steht bereits fest.
Der Bundestag hat mit großer Mehrheit für einen Abzug der Bundeswehr aus dem türkischen Incirlik gestimmt. 461 von 569 Abgeordneten unterstützen am Mittwoch einen Antrag von Union und SPD, der die Verlegung von sechs „Tornado“-Aufklärungsflugzeugen, eines Tankflugzeugs und rund 260 Soldaten nach Jordanien befürwortet. Es gab 85 Gegenstimmen und 23 Enthaltungen. Ein Antrag von Linken und Grünen, der nur einen Abzug ohne Alternativstandort vorsah, wurde abgelehnt.
Grund für den Abzug ist ein türkisches Besuchsverbot für Bundestagsabgeordnete bei den deutschen Soldaten in Incirlik. Die Regierung in Ankara hatte damit auf die Asylgewährung für türkische Soldaten in Deutschland reagiert. Ein letzter Einigungsversuch von Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) in Ankara war vor zwei Wochen gescheitert. Daraufhin hatte sich das Kabinett für einen Abzug der Soldaten entschieden, die Bombardements von Stellungen der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) in Syrien und im Irak unterstützen.
Auch andere Themen wurden angesprochen
In der Debatte sprach SPD-Außenpolitiker Niels Annen von einem Tiefpunkt in den Beziehungen zur Türkei. Verantwortlich dafür sei der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan, „dem es darum ging zu polarisieren“. „Sorgen Sie dafür, dass in Ihrem Land die Menschenrechte wieder respektiert werden“, forderte Annen Erdogan auf. Der CDU-Politiker Henning Otte rechtfertigte ebenfalls den Abzug, auch wenn der Standort Incirlik für die Soldaten „gute Rahmenbedingungen geboten hat“.
Grünen-Chef Cem Özdemir nutzte die Debatte auch, um auf die Inhaftierung von Oppositionspolitikern und von Journalisten in der Türkei hinzuweisen. Er warf Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor, Erdogan lange hofiert und ihm sogar durch Besuche indirekt Wahlkampfhilfe geleistet zu haben. „Herr Erdogan versteht die Sprache des Kuschelns nicht“, er verstehe nur deutliche Sprache, sagte Özdemir auch mit Blick auf Incirlik.
Auf welcher Seite steht Deutschland?
Für die Linkspartei drängte deren früherer Fraktionschef Gregor Gysi erneut auf ein vollständiges Ende des Bundeswehr-Einsatzes. Er verwies dabei auch auf die aktuellen Spannungen zwischen den Vereinigten Staaten und Russland in Syrien sowie darauf, dass die Türkei die Aufklärungsbilder der deutschen Tornados auch für ihren Kampf gegen Kurden in Syrien nutzen könne. „Steht Deutschland an der Seite der Kurden, die den Islamischen Staat bekämpfen, oder an der Seite der Türkei, die die Kurden bekämpft und damit den Islamischen Staat stärkt?“ fragte Gysi.
Rechtlich war die Zustimmung des Bundestags nicht notwendig, weil in dem bestehenden Bundestagsmandat kein Stationierungsort genannt ist. Die Abstimmung hat aber eine große politische Bedeutung, weil die Bundeswehr als „Parlamentsarmee“ gilt. Die Entsendung von Soldaten in bewaffnete Einsätze ist nicht ohne Zustimmung des Bundestags möglich. 460 Abgeordnete lehnten den Antrag von Linken und Grüne ab, 109 waren dafür. Hintergrund für die Formulierung in diesem Antrag ist, dass die Linke dafür ist, den Anti-IS-Einsatz ganz zu beenden.