Bundesrat hat abgestimmt : Maghreb-Staaten sind keine sicheren Herkunftsländer
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Zerplatzte Träume von einer neuen Zukunft in Deutschland: Abschiebung abgelehnter Asylbewerber in Leipzig. Bild: dpa
Eine lange Diskussion geht zu Ende: Der Bundesrat hat das Gesetz zur Einstufung der Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsländer abgelehnt. Die Union will trotzdem weiter dafür kämpfen.
Das Gesetz zur Einstufung der Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsländer ist vorerst gescheitert. Auch in der Debatte am Freitag im Bundesrat wurde keine Mehrheit für das zustimmungspflichtige Gesetz erzielt, das der Bundestag bereits im Mai vergangenen Jahres verabschiedet hatte. Vier von den Grünen mitregierte Länder hätten für die Änderung stimmen müssen, mit der Asylanträge von Marokkanern, Tunesiern und Algeriern leichter abgelehnt werden könnten. Bis Donnerstag hatte aber nur Baden-Württemberg signalisiert, dem Gesetz zuzustimmen.
Im Juni 2016 hatte der Bundesrat die Abstimmung über das Gesetz wegen der fehlenden Mehrheit vertagt. Seitdem war es nicht mehr auf der Tagesordnung erschienen. Nun machte Bayern Druck. Der Freistaat ließ es auf die Tagesordnung setzen, um eine Entscheidung herbeizuführen. Bundesratsminister Marcel Huber (CSU) forderte am Donnerstag die Grünen auf, von ihrer „Verweigerungshaltung abzurücken“ – doch sein Werben war vergebens.
Zu den sicheren Herkunftsländern zählen bisher die Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie Australien, Island, Kanada, Liechtenstein, Neuseeland, Norwegen und die Schweiz. Außerdem wurden Bosnien-Herzegowina, der Kosovo, Kroatien, Mazedonien, Montenegro, Serbien und Albanien als sichere Herkunftsstaaten festgelegt.
Mit der zusätzlichen Einstufung von Marokko, Tunesien und Algerien als sichere Herkunftsländer hätten Asylanträge von Menschen aus diesen Staaten schneller bearbeitet und in der Regel als unbegründet abgelehnt werden können. Die Asylverfahren in diesen Fällen dauern noch immer sehr lange. 13,6 Monate sind es bei algerischen Antragstellern, 11,4 Monate bei solchen aus Marokko und 11,6 bei Tunesiern.
Meistens mündet das Asylverfahren dann in einer Ablehnung. Marokko verzeichnete im vergangenen Jahr eine Gesamtschutzquote – also die Zahl anerkannter Anträge – von 2,2 Prozent. Für Algerier lag sie bei 1,6 Prozent, bei tunesischen Anträgen lag die Quote im Jahr 2015 gerade einmal bei 0,2 Prozent. Die Bundesregierung erhofft sich durch eine entsprechende Regelung zudem eine Signalwirkung in die Länder, so dass sich weniger Asylbewerber von dort nach Deutschland aufmachen. Mittlerweile hält sich eine große Zahl von Asylsuchenden aus diesen Staaten in Deutschland auf, zusammen derzeit etwa 128.000. Bis Ende April 2016 wurden insgesamt mehr als 74.000 Marokkaner, fast 32.000 Tunesier und etwa 22.000 Algerier registriert.
Allerdings ist die Zahl neuer Flüchtlinge aus den drei Ländern bereits rückläufig. Wurden für das gesamte Vorjahr im Registrierungssystem Easy mehr als 10.000 Marokkaner eingetragen, so waren es in den ersten fünf Monaten dieses Jahres nur 2500. Im Falle Algeriens sank die Zahl der Easy-Registrierungen von 13.800 im Vorjahr auf bislang 2370 in diesem Jahr. Im vorigen Jahr wurden knapp 2000 Tunesier im Easy-System registriert, bis Ende Mai dieses Jahres nicht einmal 400. Doch viele der Asylsuchenden verlassen Deutschland nicht – trotz der geringen Anerkennungsquote.
Kritik von Menschenrechtlern
Während CDU-Politiker in den Ländern am Donnerstag noch für eine Zustimmung zu dem Gesetz über die Maghreb-Staaten warben, appellierten Pro Asyl und Flüchtlingsräte an die Länder, es abzulehnen. „Das Konzept der ,sicheren' Herkunftsstaaten ist grundsätzlich unvereinbar mit dem Menschenrecht, Asyl zu suchen“, erklärte die Asyl-Expertin der Menschenrechtsorganisation, Wiebke Judith, am Mittwoch in Berlin. In Algerien, Marokko und Tunesien gebe es nach wie vor Verfolgung, Folter und Misshandlung. „Keines der drei Länder erfüllt die Kriterien für einen ,sicheren' Herkunftsstaat“, sagte sie.
Eine Einstufung als sichere Herkunftsländer widerspricht laut Amnesty den Kriterien, die das Bundesverfassungsgericht dafür vorgegeben habe. Demnach darf es landesweit keine Verfolgung bestimmter Personengruppen geben und der Schutz vor erniedrigender Bestrafung wie Folter muss gewährleistet sein.
„Die gesetzliche Einschätzung zur Sicherheit eines Herkunftslandes führt zu gravierenden Einschränkungen im Asylverfahren“, warnte die Amnesty-Expertin. Es gehöre aber zu den menschenrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik, jedem schutzsuchenden Menschen ein faires und unvoreingenommenes Asylverfahren zu garantieren.
Jetzt, da das Gesetz im Bundesrat gescheitert ist, bleibt die Möglichkeit zur Anrufung des Vermittlungsausschusses von Bundesrat und Bundestag, um eventuell doch noch zu einem Kompromiss zu gelangen. Da die Grünen die Einstufung einzelner Staaten als sichere Herkunftsländer aber im Grundsatz ablehnen, scheint ein Konsens aber weiter schwierig.