Bundespräsident in Halle : „Ein Tag der Scham und der Schande“
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Bundespräsident Steinmeier vor der Hallenser Synagoge. Neben ihm stehen seine Frau Elke Büdenbender und der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff. Bild: Reuters
Bundespräsident Steinmeier hat die Deutschen aufgefordert, gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus einzustehen. Er besuchte die Synagoge in Halle, den Ort des Anschlags. Politiker von Union und SPD machen die AfD mitverantwortlich.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat am Tag nach dem Anschlag in Halle an der Saale den Tatort besucht. Er trug am Donnerstag einen Kranz zu der Synagoge. „Dieser Tag ist ein Tag der Scham und der Schande“, sagte der Bundespräsident. „Wer jetzt noch einen Funken Verständnis zeigt für Rechtsextremismus und Rassenhass, wer die Bereitschaft anderer fördert durch das Schüren von Hass, wer politisch motivierte Gewalt gegen Andersdenkende, Andersgläubige oder auch Repräsentanten demokratischer Institutionen, wenn ich an den Fall Walter Lübcke denke – wer das rechtfertigt, der macht sich mitschuldig.“
Steinmeier forderte Konsequenzen. „Einen solchen feigen Anschlag zu verurteilen, das reicht nicht“, sagte er. „Es muss klar sein, dass der Staat Verantwortung übernimmt für jüdisches Leben, für die Sicherheit jüdischen Lebens in Deutschland.“ Zugleich müsse die gesamte Gesellschaft „eine klare, eine entschiedene Haltung der Solidarität mit den jüdischen Mitmenschen in unserem Land“ zeigen. „Die Geschichte mahnt uns, die Gegenwart fordert uns.“
„AfD in unverschämter Weise aufgefallen“
Politiker aus Union und SPD machten nach dem Anschlag in Halle auch die AfD mitverantwortlich. „Das eine sind diese schrecklichen Gewalttäter, vor denen wir uns schützen müssen – das andere sind auch die geistigen Brandstifter“, sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) am Donnerstag im Bayerischen Rundfunk. „Da sind in letzter Zeit auch einige Vertreter der AfD in unverschämter Weise aufgefallen.“
Namentlich nannte Herrmann den Thüringer AfD-Rechtsaußen Björn Höcke. „Höcke ist einer der geistigen Brandstifter, wenn es darum geht, wieder mehr Antisemitismus in unserem Land zu verbreiten“, sagte er. Die Bildungsministerin von Schleswig-Holstein, Karin Prien (CDU), schloss sich Herrmann an. „Der gärige Nährboden für das Attentat von Halle wird auch von der AfD befördert“, schrieb Prien auf Twitter.
Der SPD-Politiker Karl Lauterbach äußerte: „Es ist die Hetze der AfD, die dem Rechtsextremismus eine politische Stimme gab.“ Durch diese Hetze fühlten sich einzelne Verbrecher legitimiert, Grausamkeiten zu begehen. „Die AfD trägt eine große Mitschuld“, twitterte Lauterbach. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Ralf Mützenich äußerte, der Angreifer habe sich „wegen der Verharmlosung und Leugnung der Naziterrorherrschaft durch AfD-Vertreter ermutigt fühlen“ können.
Die AfD wies die Vorwürfe vehement zurück. „Wer dieses entsetzliche Verbrechen missbraucht, um die politische Konkurrenz mit haltlosen Diffamierungen zu verleumden, der spaltet die Gesellschaft“, teilte die Fraktionsvorsitzende Alice Weidel mit. Ko-Fraktionschef Alexander Gauland sagte, seine Partei sei „erschüttert über dieses monströse Verbrechen“. „Versuche, den Terroranschlag und das von ihm verursachte Leid tagespolitisch zu instrumentalisieren, sind infam und werden dem Ernst der Lage nicht gerecht.“
Der schwerbewaffnete Stephan B. hatte am Mittwoch versucht, in die Synagoge einzudringen, in der Dutzende Gläubige den jüdischen Feiertag Jom Kippur feierten. Offenbar wollte er dort ein Blutbad anrichten. Sein Versuch scheiterte, woraufhin er vor der Synagoge und danach in einem nahen Döner-Imbiss zwei Menschen erschoss und mindestens zwei weitere verletzte. B. wurde später auf der Flucht festgenommen. Die Polizei geht von einem antisemitischen Motiv aus.