Bundesnachrichtendienst : Eingequetscht von Giganten
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Der Monolith: In der Auffahrt zum Bundesnachrichtendienst in Berlin. Bild: dpa
Der BND-Präsident Bruno Kahl sieht liberale Demokratien von erfolgreichen autoritären Systemen bedroht und äußert sich zum ersten Mal öffentlich in Berlin.
Es ist ein Allgemeinplatz, dass die Bedrohung freiheitlicher Staaten heute eine andere ist als noch vor zwanzig Jahren. Selten äußert sich aber der Präsident des Bundesnachrichtendienstes, Bruno Kahl, dazu öffentlich. So geschehen zum Abschluss einer Diskussionsreihe über „Werte“ der hessischen Landesvertretung in Berlin. Kahl sagte, der Konflikt zwischen wirtschaftlich erfolgreichen, autoritär-repressiven Systemen auf der einen und westlich-liberalen auf der andere Seite habe das Potential, die derzeitigen asymmetrischen Bedrohungen wie den internationalen Terrorismus und Religionskonflikte als größte strategische Herausforderung abzulösen. Die ideologische Konfrontation verlaufe zwischen rechtsstaatlichen, wertegebundenen Demokratien einerseits und aufstrebenden autoritären Gesellschaftsmodellen andererseits. Letztere erschienen attraktiv, da sie vordergründig stabil, militärisch stark und oftmals auch wirtschaftlich sehr erfolgreich sind. Die eigene Gesellschaft werde „positiv“ vom Westen abgegrenzt, der als „instabil“ (Finanzkrise), „überfremdet“ (Migration), „dekadent“ (keine eigenen verpflichtenden Werte) und „zerfallend“ (Brexit) diskriminiert werde.
Und der Terrorismus? Zwar sei das „Territorialprojekt“ des IS gescheitert. Der BND sieht allerdings eine Rückbesinnung des IS auf „klassische“ terroristische Aktivitäten im Untergrund und in Netzwerkstrukturen. Der Fokus liege auch auf Europa und Deutschland. „Eine schlechte Nachricht ist in diesem Zusammenhang“, so Kahl, „dass die Grenzen zwischen Terrorismus und herkömmlicher Kriminalität fließend sind: Clans, Milizen und Terrorgruppen sind in vielen Regionen die Profiteure der Stunde: Sie sind gewaltbereit, skrupellos und im Rahmen ihrer Agenda zunehmend erfolgreich.“
Und er fügte hinzu: „Dass der frühe und plötzliche Rückzug der Amerikaner aus einigen dieser Problemregionen zur schnelleren Stabilisierung beiträgt, das darf man tunlichst bezweifeln – auch dann, wenn man als Europäer und erst recht als Deutscher sonst keine guten Argumente hat, von den USA mehr und längere militärische Einsätze zu fordern.“
Mit Blick auf Cyberangriffe hob Kahl hervor: „Selbst in Iran und in Nordkorea agieren heute staatliche Hacker der Spitzenklasse.“ Man beobachte eine zunehmende nachrichtendienstliche Präsenz im „Hacker-Untergrund“.
Zum Wettbewerb der Systeme sagte Kahl, China beeindrucke dadurch, dass es in kürzester Zeit in Peking einen gigantischen neuen Flughafen baue, zugleich aber habe es vor einem Jahr einen deutschen Premiumhersteller wissen lassen, dass er seine Werbung mit dem Dalai Lama besser lassen solle, wolle er in China weiter Autos verkaufen. Der deutsche Konzern hat sich entschuldigt und die Werbung gelöscht.
Der BND-Präsident sieht ein weiteres Problem: Während westliche Volkswirtschaften in Konkurrenz mit mächtigen nichtstaatlichen Akteuren – wie den internationalen Internetgiganten – stünden, forcierten bestimmte Staaten mit einer systematischen Industriepolitik ihre eigenen Big Player wie Tencent oder Alibaba praktisch in allen Bereichen – insbesondere in den Zukunftstechnologien. „Westliche Demokratien geraten so in eine Sandwich-Position zwischen den Giganten des Kapitalismus und den Giganten des Autoritarismus.“