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BND-Affäre : NSA wollte angeblich auch Siemens ausspionieren

  • Aktualisiert am

Die Abhörstation des Bundesnachrichtendienstes in Bad Aibling Bild: dpa

Der amerikanische Geheimdienst soll angeblich auch versucht haben, Siemens mit Hilfe des BND zu durchleuchten. Hintergrund sei ein Russland-Geschäft des Technologiekonzerns, bei dem es den Angaben zufolge um Spionage ging. SPD-Vize Schäfer-Gümbel wirft dem Kanzleramt Täuschung der Öffentlichkeit vor.

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          Der amerikanische Geheimdienst NSA hat nach Informationen der „Bild am Sonntag“ versucht, mit Hilfe des Bundesnachrichtendienstes (BND) den deutschen Technologiekonzern Siemens auszuspähen. Grund sei eine angebliche Vertragspartnerschaft zwischen Siemens und dem russischen Geheimdienst SSSN (ehemals FAPSI), zitierte das Blatt amerikanische Geheimdienststellen. Danach soll Siemens den Russen nachrichtendienstliche Kommunikationstechnik geliefert haben.

          Ein Siemens-Sprecher äußerte sich nicht zum Geschäft mit den Russen und sagte der Zeitung: „Siemens sind keinerlei Fakten im Verantwortungsbereich des Unternehmens bekannt, die eine Motivation von nachrichtendienstlicher Seite nachvollziehbar machen würde.“

          Amerikaner wehren sich gegen Veröffentlichung

          Der BND ist wegen Berichten unter Druck geraten, nach denen die NSA mittels der BND-Spähtechnik im bayerischen Bad Aibling auch Wirtschaftsspionage betrieben haben könnte. Die Opposition wirft der Bundesregierung vor, seit 2008 davon gewusst, dies aber bis vor kurzem bestritten zu haben. Zusammenarbeit mit der NSA ist den deutschen Spionen nur erlaubt, wenn sie sicherstellen, dass die Rechte deutscher Bürger und deutsche und europäische Interessen nicht verletzt werden. In der Kritik steht auch das Kanzleramt als Aufsichtsbehörde des Nachrichtendienstes. Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hatte Anfang der Woche öffentlich erklärt, Kanzlerin Angela Merkel (CDU) habe ihm versichert, es gebe keine Hinweise auf Wirtschaftsspionage der NSA mit Hilfe des BND.

          Das Kanzleramt verhandelt nach eigenen Angaben zurzeit mit der amerikanischen Regierung darüber, ob sie umstrittene NSA-Suchaufträge, sogenannte Selektoren, veröffentlichen darf, mit denen der BND in Bad Aibling seit Jahren für die Vereinigten Staaten spionieren sollte und spioniert hat. Nach Informationen von „Bild am Sonntag“ haben die Amerikaner das Ersuchen aber bereits abgelehnt, da laufende Operationen gefährdet werden könnten. Falls Deutschland gegen den Willen der Amerikaner Geheimdienstinformationen veröffentliche, drohten die Vereinigten Staaten damit, den Informationsaustausch auf Terrorwarnungen zu reduzieren. Hochauflösende Satellitenbilder von Krisenregionen oder bei Entführungen deutscher Staatsbürger sollen dann nicht mehr geliefert werden.

          Spionage-Affäre : BND begrenzt Zusammenarbeit mit NSA

          Der „Welt am Sonntag“ zufolge belastet die Affäre inzwischen auch die Zusammenarbeit des BND mit anderen Partnerdiensten. Wie die Zeitung unter Berufung auf Sicherheitskreise berichtete, wandten sich in den vergangenen Tagen Vertreter mehrerer ausländischer Geheimdienste an den BND und stellten die Kooperation infrage. Sie sollen sich demnach besorgt gezeigt haben, weil zuletzt zahlreiche geheime Informationen über Projekte zwischen dem deutschen Auslandsdienst und der NSA an die Öffentlichkeit gelangt seien oder im NSA-Untersuchungsausschuss noch zur Sprache kommen könnten. Der BND kooperiert aktuell mit 451 Geheimdiensten aus 167 Ländern.

          Schäfer-Gümbel: Kanzleramt täuscht die Öffentlichkeit

          Nach der Veröffentlichung eines E-Mail-Verkehrs zwischen Berlin und Washington über ein von der Bundesregierung 2013 gewünschtes No-Spy-Abkommen hat der stellvertretende SPD-Vorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel dem Kanzleramt Täuschung der Öffentlichkeit vorgeworfen. Der damalige Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) habe „aus wahltaktischen Gründen eindeutig die Unwahrheit gesagt“, sagte Schäfer-Gümbel dem „Tagesspiegel am Sonntag“. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe „in jeder Wahlkampfrede behauptet, deutsches Recht würde durch die Amerikaner nicht verletzt“. Dabei habe der damalige Verhandlungsstand dies offenbar in keiner Weise hergegeben. Der NSA-Untersuchungsausschuss müsse sich mit der Angelegenheit befassen, forderte Schäfer-Gümbel weiter.

          Der Rechercheverbund von „Süddeutscher Zeitung“, WDR und NDR veröffentlichte am Samstag interne E-Mails über Verhandlungen zwischen Beratern des Kanzleramts und des Weißen Hauses vom Juli 2013. Aus diesen gehe hervor, dass es von Seiten der US-Regierung nie eine konkrete Zusage zu einem No-Spy-Abkommen gegeben habe. Trotzdem habe Pofalla am 12. August 2013 vor der Presse verkündet: „Die amerikanische Seite hat uns den Abschluss eines No-Spy-Abkommens angeboten.“

          Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt forderte eine Erklärung von Merkel. „Ich will wissen, warum die Union wider besseres Wissen die Öffentlichkeit über ein angebliches No-Spy-Abkommen mit den Vereinigten Staaten getäuscht hat“, erklärte Göring-Eckardt in Berlin. „Wenn die Berichte zutreffen, dann hat die Union die Bevölkerung belogen.“

          Der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums, André Hahn (Linke), sagte, auch das Kontrollgremium werde sich mit dem Thema No-Spy-Abkommen beschäftigen. „Schon im Sommer 2013 war klar, dass das No-Spy-Abkommen nur die Beruhigungspille vor der Bundestagswahl sein sollte“, sagte Hahn dem „Tagesspiegel am Sonntag“. Dabei habe Pofalla sicher nicht auf eigene Faust gehandelt, sondern die Strategie mit Merkel abgesprochen. Auch Linken-Fraktionschef Gregor Gysi erklärte, für die Behauptung Pofallas habe es zu keinem Zeitpunkt eine Grundlage gegeben. „Sie war die glatte Unwahrheit“, erklärte Gysi in Berlin.

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