Bildungspolitik : Exitstrategie für Lehrer gesucht
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Jeder dritte Lehrer fühlt sich nach einer Studie in seinem Beruf überfordert. Schulleiter und Bildungsforscher dringen darauf, dass gescheiterte Lehrer aus dem Schuldienst entfernt werden können.
Schulleiter und Bildungsforscher dringen darauf, dass gescheiterte Lehrer aus dem Schuldienst entfernt werden können. Das ist bei Beamten bislang nicht möglich, sie sind weder kündbar, noch können sie gegen ihren Willen auf eine berufsfremde Stelle versetzt werden. Gleichwohl fühlt sich nach einer Studie jeder dritte Lehrer von seinem Beruf überfordert. Der Leiter der deutschen Pisastudien, Manfred Prenzel, sagte der F.A.S, in den Schulen selbst würden „etwa zehn Prozent der Lehrerschaft als ,eigentlich nicht mehr berufsfähig‘ eingeschätzt“. Es müsse gehandelt werden, denn „unwirksame, unglückliche oder unwirsche Lehrer führen auf Seiten der Schüler und Kollegien zu beträchtlichen Kosten“.
Der Leiter der bundesweit bekannten Reformschule Heinrich-von-Stephan in Berlin, Jens Großpietsch, sagte, als Schulleiter sei man gezwungen, „pädagogisch unfähige Lehrer praktisch zu mobben“, um sie loszuwerden. Der Leiter des Schulpreisträgers Friedrich-Schiller-Gymnasiums in Marbach, Günter Offermann, verwies auf die Schweiz. Dort würden Arbeitsverträge nur dann verlängert, wenn sich die Lehrer bewähren. „Viele unserer besten Referendare aus dem Süden wandern dennoch in die Schweiz ab, anscheinend schreckt sie diese Praxis nicht“, so Offermann. Es dauert oft Jahre, um gescheiterte Lehrer aus dem Unterricht zu holen.
„Das deutsche Beamtenrecht kennt keinen Trottelparagrafen“, sagte der Berliner Professor für Steuerungsprobleme in modernen Bildungssystemen, Hans-Peter Füssel. „Das können wir uns bei einem so wichtigen Feld wie Schule nicht leisten.“ Füssel riet zu einem „Hinaus- und Hineinbegleiten von Lehrern in eine andere Verwendung.“
„Professionelles Personalmanagement nötig“
Der Vorsitzende des Bundeselternrats Hans-Peter Vogeler äußerte, dass die bloße Versetzung von Lehrern an andere Schulen keine Lösung sei. „Das ändert nichts an den Kompetenzen des Lehrers, bedeutet aber, Eltern und Kinder an das System Schule auszuliefern.“ Vogeler forderte, endlich ein professionelles Personalmanagement an den Schulen einzuführen.
Der Münchner Professor für Bildungsökonomie, Ludger Wößmann, wies auf die vielen Schülerstudien hin, die es seit Pisa gibt. Man könne damit herausfinden, „welchen Lehrern es besonders gut oder schlecht gelingt, bei ihren Schülern Lernzuwächse zu erreichen. Das bedeutet, man weiß, wer die wirklich schlechten und die guten Lehrer sind.“ Es müsse erlaubt sein, über die Entlassung von Lehrern zu sprechen, die mit ihrem Beruf überfordert seien.
KMK-Vorsitzende: „Lehrer zu entlassen ist nicht unser Ansatz“
Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) erklärte sich für nicht zuständig, da Schulen und Personalrecht Länderaufgabe seien. Die Bundesministerin gibt allerdings eine halbe Milliarde Euro im Jahr dafür aus, die Lehrerbildung in den Ländern zu verbessern. Die Vorsitzende der Kultusministerkonferenz, Sylvia Löhrmann (Grüne), verwies an die Innenminister der Länder. Als Schulministerin des bevölkerungsreichsten Bundeslandes Nordrhein-Westfalen sagte sie: „Lehrer zu entlassen ist nicht unser Ansatz.“ Wenn es Verfehlungen gebe, müsse dem nachgegangen werden, „aber nicht im Sinne eines shame and blame, sondern durch Unterstützung und Stärkung“.
Auch Vertreter der Lehrerverbände lehnten Änderungen ab. „Immer nur abschrecken ist keine gute Lösung“, sagte die Bundesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Marlis Tepe. Der Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes Hans-Peter Meidinger äußerte sich ähnlich: „Man muss alles tun, damit die falschen Leute erst gar nicht im Lehrerberuf landen, dann muss man auch nicht über Kündigung nachdenken.“ Klaus Wenzel vom Bayerischen Lehrerverband sagte, „wir gehen das Thema Lehrerversagen bislang sehr unprofessionell an. Es wird tabuisiert, dass jemand als Lehrer mit seinem Beruf nicht zurecht kommen kann.“ Tepe und Wenzel sprachen sich dafür aus, Stellen für Supervisoren an allen Schulen zu schaffen. Lehrer sollten verstehen lernen, woher ihre Unzufriedenheit und das fehlende Erfolgserlebnis in der Schule komme.
Den Artikel „Gescheitert, aber unkündbar“ von Christian Füller lesen Sie in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (F.A.S.) am 9. Februar 2014. Als Abonnent können Sie den Beitrag zudem im E-Paper oder bei Interesse in der Einzelausgabe im E-Kiosk, schon ab 20 Uhr abrufen.