Bildungsabschluss : Keine Nachteile durch deutsches Schulsystem
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Leistungsstarke Haupt- und Realschüler haben gute Berufsaussichten Bild: dpa
Eine Studie des Bonner Instituts zur Zukunft der Arbeit hat die hohe Durchlässigkeit des deutschen Schulwesens belegt. Auch ohne den direkten Weg an ein Gymnasium ergeben sich für Schüler langfristig keine Nachteile.
Schüler, die nach der Grundschule nicht gleich auf das Gymnasium gelangen, haben langfristig keine Nachteile bei Beschäftigung, Lohnniveau und Bildungsstand. Das belegt eine Studie des Bonner Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA), die dem deutschen Schulwesen eine im internationalen Vergleich besonders hohe Durchlässigkeit attestiert. Wer als Schüler den Weg zunächst nicht an das Gymnasium findet, hat mit dem Abschluss der Realschule über zweite Wege alle Möglichkeiten bis hin zu einem Studium. Die Sorgen vieler Eltern, deren Kinder nicht unmittelbar nach der Grundschule an ein Gymnasium gelangen, wären demnach unbegründet.
Die Studie dreier Wirtschaftsprofessoren, „The Long-Term Effects of Early Track Choice“, widerspricht der verbreiteten Kritik, das mehrgliedrige deutsche Schulsystem verteile die Schüler zu früh auf unterschiedliche Schulformen und schränke auf diese Weise die Bildungschancen von Spätentwicklern ein. Analysiert wurden Zensus- und Sozialversicherungsdaten der Geburtsjahrgänge 1961 bis 1976. Langfristig fanden die Wissenschaftler bei guten Realschülern und Gymnasiasten keine Unterschiede bei den durchschnittlich erreichten Bildungsabschlüssen, der Beschäftigungsquote und dem erzielten Erwerbseinkommen. Als Grund für den Befund nennen sie die im internationalen Vergleich besonders hohe Durchlässigkeit des deutschen Schulsystems. Realschüler, deren Leistungen beim Wechsel von der Grundschule auf die weiterführende Schule unterschätzt wurden, konnten nach der neunten Klasse auf das Gymnasium wechseln. Die Möglichkeit des späten Schulwechsels werde häufig übersehen. Gymnasiasten hätten zwar zunächst die besseren Aussichten auf eine Stelle, niemand hindere aber leistungsstarke Real- und Hauptschüler am Aufstieg zu denselben Erwerbsmöglichkeiten, sagt einer der Autoren der Studie. Statt fortwährend das System umzubauen und neue Schulformen zu etablieren, sei es besser, die Durchlässigkeit zwischen den Schulformen weiter zu steigern.
„Damit ist abermals widerlegt, was sich aufgrund eigenwilliger Interpretationen etwa der OECD und der Bertelsmann-Stiftung seit Jahren in den Köpfen als angeblich mangelnde Durchlässigkeit des Schulwesens festgesetzt hat“, sagte der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Josef Kraus, dieser Zeitung. Das Gegenteil sei der Fall. Es gebe in Deutschland keinen Bildungsabschluss ohne einen Bildungsanschluss und die vertikale Durchlässigkeit des deutschen Schulwesens sei sehr ausgeprägt. Das komme vor allem Kindern aus bildungsfernen Schichten zugute. „Widerlegt ist damit auch die Furcht vieler Eltern, die meinen, der Zug sei für ihr Kind abgefahren, wenn es im elften Lebensjahr nicht an ein Gymnasium habe gehen können oder wollen“, so Kraus. Zudem belege die Studie eindrucksvoll, dass eine Differenzierung der Schüler nach vier Grundschuljahren keinerlei Bildungschancen verbaue. Dies meinen vor allem jene Länder und Stadtstaaten, die auf eine sechsjährige Grundschulzeit setzen.