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Exit-Debatte : Die Mutter aller Albträume

Den Warnungen zum Trotz: Am Montag war die Fußgängerzone von Dortmund wieder gut gefüllt. Bild: AFP

„Öffnungsdiskussionsorgien“, wie Bundeskanzlerin Merkel meint, gibt es in Deutschland noch nicht. Auch für die Bewältigung der Corona-Krise ist es gut, wenn nicht nur eine/r etwas zu sagen hat.

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          Für orgiastische Äußerungen war die Bundeskanzlerin bisher nicht bekannt. Daher horchten nicht nur CDU-Mitglieder auf, als berichtet wurde, Merkel habe im Parteipräsidium mit Blick auf die Debatte über das weitere Vorgehen in der Corona-Krise von „Öffnungsdiskussionsorgien“ gesprochen. Damit schlug sie selbst rhetorisch über die Stränge, denn zügellos gestaltet sich der Diskurs über die schrittweise Aufhebung der Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie in Deutschland noch nicht.

          Was hat die Kanzlerin dazu bewogen, zu einem für ihre Verhältnisse starken Wort zu greifen – in dem Wissen, dass die CDU-Präsiden es noch schneller verbreiten würden als die Profis der Bundespressekonferenz? Merkel sorgt sich, auch das wurde kolportiert, dass die Lockerungsdiskussion eine Eigendynamik bekommen könnte. Eine zu schnelle Entwarnung aber könnte zu einer zweiten Infektionswelle führen. Ein landesweites Aufflammen ist die Mutter aller Albträume in dieser Krise. Denn das hieße, dass Deutschland – bei Festhalten an der Eindämmungsstrategie – noch einmal „heruntergefahren“ werden müsste, aber noch radikaler als bisher. Das wissen auch jene Ministerpräsidenten, denen Merkel mit den „Öffnungsorgien“ derart eins überzog, dass sogar noch die FDP aufjaulte, obwohl sie gar keinen Landeschef stellt.

          Sogar die FDP jaulte auf

          Doch handelt schon leichtsinnig und verantwortungslos, wer angesichts des Silberstreifs am Horizont vorsichtigen Lockerungen das Wort redet? Nicht, wenn aus der von allen ersehnten Rückkehr zur Normalität kein Rausch der Befreiung wird. Angesichts des hohen Leidensdrucks in Gesellschaft und Wirtschaft ist die politische Versuchung verständlich, die Schmerzen, die von der Bekämpfung des Virus verursacht werden, so schnell wie möglich zu lindern. Doch wird, siehe Söder, in den Umfragen auch der belohnt, der die Rosskur verordnet. Ein „Hühnerhaufen“, wie Altmaier meint? Im Zweifelsfall – in dieser Krise gibt es ihn oft – ist es gut, wenn nicht nur eine/r etwas zu sagen hat. In Washington kann man sehen, wie es geht, wenn auf dem Hof allein ein Hahn kräht.

          Berthold Kohler
          Herausgeber.

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