Plakataktion für Flüchtlinge : Die neuen Deutschen
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Die Staatssekretärin Sawsan Chebli, die Somalierin Fatuma Musa Afrah und der Iraker Sinan Mohammed stellen während einer Pressekonferenz die Kampagne «Farben bekennen» vor. Bild: dpa
Die Mehrheit der Flüchtlinge in Deutschland will sich integrieren, aber in der öffentlichen Debatte geht es immer nur um die schwarzen Schafe, findet Sawsan Chebli. Die Berliner Staatssekretärin will das ändern – mit einer Werbekampagne.
Wer in den kommenden zwei Wochen in Berlin mit dem Bus oder der Bahn zur Arbeit fährt, wird sie kaum übersehen können. Acht große, freundliche Gesichter lächeln den Berlinern seit Montag früh von 1500 schwarz-weißen Plakaten und unzähligen Postkarten an Bushaltestellen, Litfaßsäulen und in der U-Bahn entgegen. Eines dieser Gesichter gehört zu Firas Alshater. Mit seinem beeindruckenden Rauschebart und funkelnden Augen strahlt er von den Plakaten über das allmorgendliche Gewusel hinweg.
Alshater ist so etwas wie ein professioneller Vorurteilsbekämpfer. Als Flüchtling kam der syrische Filmemacher 2013 nach Deutschland und startete einen Youtube-Kanal, inzwischen tourt er mit seinem Programm durch Deutschland und füllt mittelgroße Veranstaltungshallen. Alshater ist Teil der neuen Kampagne „Farben bekennen“, die am Montag von der Berliner Staatssekretärin für bürgerliches Engagement, Sawsan Chebli, vorgestellt wurde. „Ziel der Kampagne ist es, Geflüchtete zu Wort kommen zu lassen, die sagen: Wir übernehmen Verantwortung für das Land, das uns Schutz gewährt hat, für die Stadt, die unsere neue Heimat ist,“ sagt sie. Man höre jeden Tag so viel Negatives, das auf Flüchtlinge und Menschen mit Migrationshintergrund zurückfalle. „Deshalb ist es wichtig zu zeigen, dass sich die übergroße Mehrheit der Geflüchteten integrieren will oder schon längst integriert ist“, sagt sie.
Keine „Wir haben uns alle lieb – Kampagne“
Insgesamt acht Flüchtlinge aus verschiedenen Ländern hat die SPD-Politikerin ausgesucht. Alle leben erst seit wenigen Jahren in Deutschland und haben ihre neue Heimat doch bereits geprägt: als Schülersprecherin an einem Berliner Gymnasium, als Reporter eines deutsch-arabischen Online-Magazins oder eben, wie Alshater, als Youtube-Star. Den Vorwurf, die Kampagne zeige nur nicht-repräsentative Überflieger, lässt Chebli dabei nicht gelten. In den vergangenen Monaten habe sie viele Flüchtlinge kennengelernt, sagt sie im Gespräch mit FAZ.NET. „Grundsätzlich hätte man jeden von ihnen für die Kampagne nehmen können.“ Bei der Auswahl habe man deshalb vor allem auf die Sprachkenntnisse der Protagonisten geachtet, damit diese auch am öffentlichen, deutschsprachigen Diskurs teilhaben könnten. „Wir bekennen Farben“ sei deswegen auch keine „Wir haben uns alle lieb-Kampagne“, sondern zeige ein „realistisches Bild“, ist Chebli überzeugt.
So sehen das auch die Protagonisten selbst, die auf den Plakaten erklären, was für sie typisch deutsch ist. Die Leitgedanken Respekt, Freiheit und Chancen dominieren dabei die Antworten, aber auch „Pünktlich sein“ und „sich an Regeln halten“ steht auf den Plakaten. Für den 25 Jahre alten Mohammed Noor al Gosh ist Hilfsbereitschaft typisch deutsch. Auch er ist Teil von Cheblis Kampagne und sagt, er sei von Anfang an begeistert gewesen von ihrer Idee. „Endlich können wir zeigen, dass wir ein Teil der Gesellschaft sind“, freut er sich.
Al Gosh studiert dual Betriebswirtschaftslehre und Wirtschaftsinformatik an der Beuth-Hochschule Berlin und in einem Bauunternehmen. Wenn der Krieg in Syrien vorbei ist, will er mit seinem Wissen dabei helfen, sein Land wiederaufzubauen. In Berlin hat Al Gosh die Kampagne „Bluten für Deutschland“ gemeinsam mit der Charité-Berlin initiiert, in der Flüchtlinge zum Blutspenden animiert werden. Der junge Syrer begegnet häufig Deutschen, die Angst vor Flüchtlingen haben. „Aber wenn ich ihnen meine Geschichte erzähle, ändert das die Stimmung“, berichtet er. Al Gosh stammt aus Damaskus und floh 2014 über das Mittelmeer nach Europa. Davor studierte er Medizin. Auch er ist davon überzeugt, dass die Kampagne ein durchaus realistisches Bild zeige. Inzwischen könnten viele Flüchtlinge bereits Deutsch sprechen und versuchten, einen Arbeitsplatz zu bekommen, sagt er.
„Jeder tut, was er kann“
Auch Firas Alshater glaubt nicht, dass die Kampagne ein verzerrtes Bild liefert. „Jeder Flüchtling tut, was er kann“, sagt er. Die acht ausgewählten Protagonisten seien daher nur gute Beispiele, aber „es gibt noch viele andere, die sich in die Gesellschaft einbringen“. Wie auch mit seinen Videos will Alshater mit seinem Bild auf den Plakaten helfen, Vorurteile abzubauen. Die Kampagne biete dabei vor allem den Vorteil, dass man Menschen erreiche, die sich sonst mit dem Thema eher wenig beschäftigten, sagt Alshater.
Als Abschluss der Aktion steht Anfang Dezember eine gemeinsame Weihnachtsfeier der Protagonisten mit Berliner Bürgern an, bei der über die Wirkung der Plakate und das Erreichte diskutiert werden soll. Auch prominente Unterstützer wie der bekannte Jazztrompeter Till Brönner und Singer-Songwriter Max Prosa sollen dann dabei sein. 100 Einladungen will die Berliner Senatskanzlei dafür unter jenen Berlinern verteilen, die in den kommenden zwei Wochen ihre Auffassung vom „typisch deutsch sein“ über die Website der Kampagne einsenden. Dabei wolle man durchaus auch Menschen einladen, die dem Projekt kritisch gegenüberstehen und entsprechende Beiträge formulieren, heißt es aus der Senatskanzlei.