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Nach der Abgeordnetenhauswahl : Hat Rot-Grün-Rot einen Plan für die maroden Berliner Schulen?

Absperrungen an einer maroden Häuserwand sind auf dem Gelände einer Berliner Schule zu sehen. Bild: dpa

Erst kürzlich hat eine unabhängige Qualitätskommission der Berliner Schulpolitik ein ernüchterndes Zeugnis ausgestellt. Nun droht unter der künftigen Regierung ein Weiter-so.

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          Was die bisherige Schulsenatorin Sandra Scheeres (SPD) gewagt hat, kann sich wohl nur zumuten, wer keine Wahl mehr gewinnen muss: Sie hat das Berliner Schulsystem und ihre eigene Politik durch eine unabhängige Kommission evaluieren lassen. Das Ergebnis fiel im vergangenen Herbst mehr als ernüchternd aus: Kaum ein Land gibt so viel Geld für jeden Schüler aus und kommt zu so schlechten Ergebnissen. Auf Missstände wird punktuell reagiert, ohne dass einzelne Fördermaßnahmen sinnvoll in eine Gesamtstrategie eingebettet wären, weshalb sie verpuffen. Sechs Handlungsfelder hatten die Wissenschaftler damals genannt und auch darauf gedrungen, dass ein Beirat eingerichtet wird, der die Umsetzung der Empfehlungen begleitet.

          Heike Schmoll
          Politische Korrespondentin in Berlin, zuständig für die „Bildungswelten“.

          Dieser Beirat wurde einberufen, ist hochkarätig mit Wissenschaftlern und Praktikern besetzt und wird vom früheren Hamburger Staatsrat Michael Voges geleitet. Viele Eltern schulpflichtiger Kinder sahen diesen Aufbruch als Signal in der maroden Berliner Schulpolitik, auf das sie lange gewartet hatten. Doch was wird nun, nach der Wahl zum Abgeordnetenhaus, aus den Vorschlägen der Qualitätskommission und der Arbeit des Beirats?

          Blick in das Treppenhaus einer Berliner Grundschule
          Blick in das Treppenhaus einer Berliner Grundschule : Bild: dpa

          Regierungswechsel etwa in Baden-Württemberg haben gezeigt, dass Grundsatzpapiere und unbequeme Reformvorschläge nach Wahlen gern in der Schublade verschwinden und nie wieder herausgeholt werden. Noch ist völlig unklar, wer das Bildungsressort in Berlin bekommt – SPD, Grüne oder Linke. Sicher ist bisher nur eines: Kenner des Berliner Bildungssystems, auch solche, die den drei Verhandlungspartnern eigentlich nahestehen, deuten die Leitlinien der bisherigen Gespräche so, als seien keine wesentlichen Veränderungen geplant – und sind enttäuscht. Auch ein klares Bekenntnis zur weiteren Umsetzung der Qualitätsstrategie vermissen sie: Davon findet sich kein Wort in den Sondierungspapieren.

          Mangelnde Qualitätskontrolle und fehlendes Personal

          Stattdessen werden Allgemeinplätze formuliert: „Wir werden Investitionen im Bildungsbereich weiter vorantreiben, Qualität in der Bildung weiter erhöhen und die Gebührenfreiheit von der Kita bis zur Hochschule erhalten.“ Berlin investiert schon jetzt 10.400 Euro für jeden Schüler. Das ist deutlich mehr als andere Länder wie Sachsen, das 7800 Euro pro Schüler ausgibt, aber zu deutlich besseren Ergebnissen kommt. Während Sachsen bei den Leistungsvergleichen fast immer auf einem der ersten drei Plätze landet, teilen sich Berlin und Bremen regelmäßig die letzten Plätze. Mit fehlenden Investitionen lässt sich das nicht erklären – wohl aber mit mangelnder Steuerung, mangelnder Qualitätskontrolle und fehlendem Personal.

          Nach 25 Jahren sozialdemokratischer Schulpolitik geben Grüne, Linke und SPD noch immer die Chancengerechtigkeit als oberstes gemeinsames Ziel in der Bildungspolitik an. Ein Zeichen dafür, dass alle Bestrebungen, Unterschiede zu nivellieren, gescheitert sind? Dass die Schulbauoffensive für die maroden Schulgebäude fortgesetzt werden soll, zeigt, dass die Gebäudesanierung in vielen Schulen noch nicht einmal begonnen hat. Ob die geplante Rekommunalisierung der Schulreinigung die Klassenräume und die kaum zumutbaren sanitären Anlagen der Berliner Schulen sauberer macht, bleibt abzuwarten.

          Neu ist die Rückkehr zur Verbeamtung der Lehrer. Als einziges Bundesland ohne Verbeamtung waren Berlin in den vergangenen Jahren immer mehr ausgebildete Lehrer abhanden gekommen, weil sie Beamtenstellen in Hamburg oder Brandenburg attraktiver fanden, als sich für deutlich niedrigere Angestelltengehälter mit Berliner Schülern befassen zu müssen.

          13 Prozent Schulabbrecher

          Die Gewerkschaften waren gegen die Verbeamtung, weil künftig das Streikrecht für Lehrer wegfällt und der Finanzsenator fürchtete die Kosten für die Pensionen. Auch SPD und Grüne waren lange strikt gegen die Verbeamtung, die Linke erst recht. Doch an dieser entscheidenden Stelle scheint sich die künftige Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) durchgesetzt zu haben. Grüne und Linke haben sich schließlich der Macht des Faktischen gebeugt. Denn die Bildungsverwaltung ist schon jetzt gezwungen, immer mehr Lehrerstellen mit Quer- und Seiteneinsteigern zu besetzen; in der Grundschule unterrichten inzwischen 70 Prozent nicht als Lehrer ausgebildete Fachleute mit einer häufig unzureichenden pädagogischen Fortbildung.

          Neu ist auch eine Ausbildungsplatzgarantie für Jugendliche, um ihnen „Teilhabechancen und Zukunftsperspektiven auf dem Arbeitsmarkt“ zu ermöglichen. Auch hinter diesem wohlklingenden Ziel verbirgt sich ein Scheitern bisheriger Hauptstadt-Schulpolitik: 13 Prozent der Sekundarschüler brechen ab und verlassen die Schule ohne Abschluss. Das ist insofern nicht verwunderlich, als 40 Prozent eines Jahrgangs die Mindeststandards im Lesen, Schreiben und Rechnen verfehlen.

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