Grüne Vergangenheit : Pädophiles Waterloo
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„Agiler Opi“: Vogel läutet 1983 zu Beginn der ersten Fraktionssitzung, neben ihm Otto Schily und Herbert Rusche Bild: Picture-Alliance
Werner Vogel war einst ein Star bei den Grünen. Der ehemalige SA-Kämpfer galt als graue Eminenz der Partei. Trotzdem wurde er nicht Alterspräsident des Bundestages. Auch weil einige Parteifreunde seine sexuelle Vorliebe für Kinder kannten.
Werner Vogel war schon in den achtziger Jahren ein Mann, der für Skandale sorgte. Er repräsentierte damals den konservativen Flügel der Grünen, war Spitzenkandidat des nordrhein-westfälischen Landesverbandes und wäre 1983 beinahe Alterspräsident des Bundestages geworden. Die Grünen spekulierten auf die prominente Eröffnungsrede, die mit Vogel einer der Ihren halten würde. Dann fand die Nachrichtenagentur Associated Press heraus, dass Vogel nicht nur ein netter alter Herr war, sondern in der Nazi-Zeit unter anderem Sturmführer der SA. Noch nicht richtig im Parlament angekommen, hatten die Grünen ihren ersten Skandal. Die Parteifreunde legten dem großen, hageren Mann den Rückzug nahe.
Nun könnte herauskommen, dass Vogel – obwohl er seit 1992 tot ist – auch ein weiteres Kapitel der Parteigeschichte geprägt hat. Der Fast-Alterspräsident war zu Lebzeiten so etwas wie der Parteibeauftragte für zwei den Grünen nahestehende Kommunen, in denen es mehrfach zu Fällen von sexuellem Missbrauch gekommen sein soll: die Indianerkommune in Nürnberg und die Emmaus-Gemeinde auf dem Dachsberg in Kamp-Lintfort, wo offenbar ein bekennender Pädophiler seinen Neigungen nachging. „Es wurde geblasen, gewichst, gestreichelt“, erinnerte sich eines der Opfer in der Zeitung „Die Welt“. Vogel fungierte nicht nur als grüner Verbindungsmann zu den beiden Kommunen. Er kümmerte sich auch als Rechtsbeistand um Kinder und Jugendliche – und drängte manche, in seinem Bett zu schlafen, wo er sie sexuell belästigte. Schon damals ahnten einige Grüne, welchen Neigungen ihr Funktionär nachging.
Vesper warnte vor pädophilen Waterloo
„Werner Vogel stand damals mit auf der Bühne, als die Stadtindianer das Podium besetzten, und unterstützte sie, zu Wort zu kommen.“ So erinnert sich einer der ersten Grünen der Republik, Rainer Brack aus Herne, an das Jahr 1980. Damals gründeten sich die Grünen. Die sogenannten Indianer, eine Gruppe von jugendlichen Ausreißern aus Nürnberg, waren stets dabei. Die Kommunekinder waren gefürchtet, weil sie Parteikonvente überfielen, um wilde Forderungen zu stellen. Ein Mädchen rief in Karlsruhe 1980, geschützt von Jugendlichen und Werner Vogel, den Parteigründern zu: „Deshalb fordern wir: als erstes ’ne Abschaffung, das heißt ersatzlose Streichung der Paragrafen 173 bis 176, Legalisierung aller zärtlichen sexuellen Beziehungen zwischen Erwachsenen und Kindern, die gewaltfrei sind.“ Die Grünen folgten. Nach und nach beschlossen sie die Forderung nach straffreiem Sex mit Kindern in elf Programmen auf verschiedenen Parteiebenen, etwa im Bundesprogramm von 1980, in dem gefordert wurde, dass bei sexuellen Handlungen mit Kindern „nur Anwendung oder Androhung von Gewalt oder Missbrauch eines Abhängigkeitsverhältnisses“ unter Strafe gestellt werden sollten.
In der Partei riefen die Auftritte der Sturmtruppe beides hervor: selbstquälerische Toleranz – und blankes Entsetzen. Das Parteiarchiv „Grünes Gedächtnis“ ist voll von Briefen, in denen frühe Grüne den Rauswurf der Stadtindianer forderten. Führende Grüne aus Nordrhein-Westfalen wie Eckhard Stratmann, Lukas Beckmann oder Michael Vesper gehörten zu jenen, die intern vor einem pädophilen Waterloo warnten. Vesper sagt, dass er sich heute Vorwürfe mache, nicht die Polizei gerufen zu haben. „Allein schon, um die verwahrlosten acht- und neunjährigen Kinder bei den Indianern zu schützen.“