BND im Ausland : Zum Abschuss freigegeben?
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Auf dem Teppich: Gäste Anfang November 2019 während der Eröffnung des Besucherzentrums des Bundesnachrichtendienstes (BND) in Berlin. Bild: dpa
An diesem Dienstag entscheidet das Bundesverfassungsgericht, wozu der Bundesnachrichtendienst gegenüber Ausländern verpflichtet ist. Es ist das letzte Urteil unter Federführung eines Richters – über dessen Nachfolge längst Streit ausgebrochen ist.
Wenn das Bundesverfassungsgericht an diesem Dienstag über die Befugnisse des Bundesnachrichtendienstes (BND) urteilt, wird es sich aus einer sehr grundsätzlichen Frage vermutlich nicht länger herauswinden. Es ist die Frage danach, ob deutsche Geheimdienste auf der ganzen Welt und jedem gegenüber an Grundrechte gebunden sind.
Schon 1999 hatte das Bundesverfassungsgericht sich mit dieser Frage auseinandergesetzt; damals begnügten sich die Richter aber mit einer allgemeinen Feststellung. Die Richter entschieden, dass sich die Verfassung nicht darauf beschränke, die innere Ordnung des deutschen Staates festzulegen. In Grundzügen bestimme das Grundgesetz vielmehr auch sein Verhältnis zur Staatengemeinschaft. Was das konkret bedeutet, blieb offen.
Dieses Mal sind „Reporter ohne Grenzen“ sowie sechs ausländische Investigativjournalisten vor das Verfassungsgericht gezogen. Sie wenden sich gegen die „Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung“ des BND. Er ist einer der drei deutschen Nachrichtendienste und, anders als die beiden Inlandsgeheimdienste, der Verfassungsschutz und der Militärische Abschirmdienst, für das Ausland zuständig. Von „Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung“ ist die Rede, wenn der BND Telekommunikation von Ausländern im Ausland überwacht. Der Nachrichtendienst durchforscht dabei internationale Kommunikation auf bestimmte Suchbegriffe, etwa E-Mail-Adressen oder Namen. Mit Hilfe dieser „Selektoren“ läuft die Überwachung weitgehend automatisch ab.
Satelliten außerhalb des Geltungsbereichs?
Seit einer Reform des BND-Gesetzes im Jahr 2016 ist die Praktik erstmals gesetzlich geregelt. Die Überwachung von Inländern richtet sich weiterhin nach dem G-10-Gesetz, das erheblich höhere Hürden aufstellt. Wenn im Rahmen der „Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung“ etwas darauf hindeutet, dass Inländer an der Kommunikation beteiligt sind, muss der BND die Daten aussortieren. Eine Erkenntnis des NSA-Untersuchungsausschusses war allerdings, dass die entsprechende Filterung nicht immer funktioniert. Über die Kommunikation zwischen Ausländern im Ausland sagte ein Mitarbeiter des Geheimdienstes damals, sie sei zum „Abschuss freigegeben“.
Die Kläger befürchten, in ihren Rechten verletzt zu sein, weil ihre Recherchen den Auftrag des BND berührten. Auch sie sammelten schließlich Informationen über politisch brisante Themen. In der mündlichen Verhandlung Mitte Januar beklagten die Journalisten, dass das Gesetz sie als Berufsgeheimnisträger nicht ausreichend schütze, dabei seien sie darauf angewiesen, ihre Quellen zu hüten. Diese gerieten durch eine Überwachung und einen etwaigen Austausch zwischen den Geheimdiensten in Gefahr. Christian Mihr, der Geschäftsführer von „Reporter ohne Grenzen“, verwies auf Kooperationen, die etwa die „Paradise Papers“ zu Steuerumgehungen oder die „Iran Leaks“ zur Verfolgung iranischer Journalisten erarbeitet hätten. Diese könnten in Gefahr geraten, wenn Informationen in die falschen Hände gerieten.
Rechtlich berufen sich die Kläger auf das Fernmeldegeheimnis und die Pressefreiheit. Dem Wortlaut nach sind diese Grundrechte nicht auf Deutsche beschränkt, anders als etwa die Versammlungsfreiheit. Juristen sprechen von „Jedermanngrundrechten“. Aber binden sie deutsche Geheimdienste überall und jedem gegenüber?