Verschärfen den bayerischen Corona-Kurs: Wirtschafsminister Aiwanger (links) und Ministerpräsident Söder, im Hintergrund Staatskanzleichef Herrmann Bild: dpa
In einer Sondersitzung beschließt Söders Kabinett verschärfte Kontaktbeschränkungen und kippt die für Silvester geplanten Lockerungen. „Es bleibt dabei, die Zahlen sind einfach zu hoch“, sagt der bayerische Ministerpräsident.
- -Aktualisiert am
Die bayerische Staatsregierung hat am Sonntag in einer kurzfristig anberaumten Sondersitzung des Ministerrats weitere Verschärfungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie beschlossen. Das Maßnahmenpaket, das Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder im Anschluss vorstellte, steht unter der Überschrift „Daheim bleiben, Kontakte vermeiden“. Es sieht unter anderem die abermalige Ausrufung des Katastrophenfalls vor. Laut Landesgesetz handelt es sich dabei um eine Situation, in der Leben oder Gesundheit einer Vielzahl von Menschen „in ungewöhnlichem Ausmaß“ gefährdet sind. In der Geschichte des Freistaats war der Katastrophenfall bereits für einzelne Landkreise verhängt worden, etwa im Kampf gegen das Schneechaos – nun gilt er für ganz Bayern, wie schon im Frühjahr.
Das Katastrophenschutzgesetz erlaubt in derartigen Fällen einen umfangreicheren Durchgriff der Katastrophenschutzbehörden, namentlich der Kreisverwaltungsbehörden, der Regierungen der sieben Bezirke sowie des Innenministeriums. Darüber hinaus sieht es eine Vielzahl von Maßnahmen vor; neben Feuerwehrleuten und Rettungsdiensten können etwa auch Privatpersonen zur Hilfe verpflichtet werden.
Nach Angaben Söders soll der Katastrophenfall in der Praxis helfen, „die Krankenhaussituation bayernweit besser steuern zu können“, das heißt zum Beispiel, Überlasten in der einen Region durch Verlegungen auszugleichen. Auch die Koordination des Impfens werde dadurch, wenn es so weit sei, erleichtert. Zur Lage des Gesundheitssystems äußerte Söder sich etwas widersprüchlich: In einem Fall sagte er, dass eine Überlastung drohe, im anderen sagte er, sie sei schon da.
Zur weiteren Kontaktreduzierung plant die Staatsregierung neuerlich eine allgemeine Ausgangsbeschränkung für ganz Bayern. Das bedeutet, dass das Verlassen des eigenen Hauses – wie im Frühjahr schon einmal – nur aus „triftigem Grund“ erlaubt sein wird. Dazu gehört unter anderem der Weg zur Arbeit, wobei Söder alle Arbeitgeber aufforderte, in größerem Umfang als bisher Homeoffice zu ermöglichen. Anders als im Frühjahr wird der Einzelhandel – mit den bisherigen Beschränkungen – weiter geöffnet bleiben; der Weg zum Einkaufen geht mithin auch als „triftiger Grund“ durch. Eine Ausgangssperre gibt es für Corona-Hotspots mit einer Sieben-Tage-Inzidenz ab 200, und zwar von 21 Uhr abends bis fünf Uhr morgens. Anders als bei der Ausgangsbeschränkung ist dann etwa auch Sport an der frischen Luft nicht mehr erlaubt. Einzig an den Weihnachtstagen sollen die Kontaktbeschränkungen gelockert werden.
Vom 23. bis zum 26. Dezember sind demnach auch Treffen über die zwei Hausstände hinaus mit bis zu maximal zehn Personen – aus bis zu zehn Hausständen – gestattet. Söder begründete die Ausnahme damit, dass Bayern ein „christlich geprägtes Familienland“ sei. Der Besuch eines Weihnachtsgottesdienstes soll auch in Hotspots als triftiger Grund zum Verlassen der eigenen Wohnung gelten. Die bisher auch für Silvester geplanten Lockerungen wurden dagegen gekippt. Damit dürfen sich auch zum Jahreswechsel maximal fünf Personen aus zwei Hausständen treffen. Landesweit gilt zudem auch an Silvester ein Verbot für Alkoholkonsum unter freiem Himmel. In den Schulen sollen vor allem die Kontakte unter älteren Schülern, die eher als die jüngeren als „Infektionstreiber“ gelten, verringert werden.
Grenzen bleiben offen, Wechselunterricht ab Klasse 8
Während der Präsenzunterricht von der 1. bis zur 7. Jahrgangsstufe an allen Schularten, für alle Jahrgänge der Förderschulen sowie an den Fach- und Berufsoberschulen beibehalten werden soll, gehen alle weiteren Schüler ab Klasse 8 in den Wechselunterricht. Nur fürs letzte Schuljahr der jeweiligen Schulart gelten Ausnahmen. Ab einer Inzidenz von 200 gehen sämtliche Schüler ab Klasse 8 in den Distanzunterricht – außer den Abschlussjahrgängen und den Förderschülern. Berufsschulen sind generell im Distanzmodus.
Darüber hinaus soll der sogenannte kleine Grenzverkehr eingeschränkt werden. Die Grenzen an sich sollen offen bleiben, aber nur mehr für Pendler und Familienangehörige ersten und zweiten Grades. Wer etwa aus Österreich kommt und in Bayern einkaufen will, der muss entweder einen negativen Test vorlegen oder in Quarantäne. Verschärft werden sollen zudem die Besuchsregeln für die als besonders vulnerabel geltenden Alten- und Pflegeeinrichtungen. Nur noch ein Besucher am Tag soll erlaubt sein, nur mit FFP-2-Maske und negativem Test. Mitarbeiter in den Einrichtungen müssen sich zwei Mal in der Woche testen lassen, wobei Söder hervorhob, dass es sich dabei möglichst nicht um Schnelltests, sondern um die genaueren PCR-Tests handeln solle.
Die Minister der Freien Wähler trugen die Beschlüsse mit, wobei Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger mehrmals deutlich machte, wie wichtig es ihm sei, dass man bald wieder in einem Hotel übernachten oder zum Skifahren gehen dürfe. Als Perspektive für eine Wiederöffnung nannte er den 11. Januar. Während Söder vor allem die negativen Tendenzen des Infektionsgeschehens thematisierte, wies Aiwanger darauf hin, dass der R-Wert unter 1 liege. Das heißt, dass ein Infizierter statistisch weniger als eine andere Person infiziert.
Söder hob hervor, die bayerische Staatsregierung befinde sich mit ihren Beschlüssen auf der Grundlage der jüngsten Verabredungen von Ministerpräsidenten und Bundeskanzlerin. Erst am Donnerstag bei einem Besuch im Corona-Hotspot Passau hatte Söder zwar angedeutet, dass er die bisherigen Maßnahmen für nicht ausreichend halte, er hatte aber von einer Beobachtungsfrist von zehn Tagen gesprochen. Auf die Frage, warum er schon einen Tag später, am Freitag, zur Sondersitzung des Ministerrats am Sonntag einlud, nannte Söder die Entwicklung sowohl bei den Infektions- als auch bei den Todesfällen. Fast 60.000 Menschen in Bayern seien aktuell infiziert, in nur einer Woche seien 474 Menschen an Corona gestorben. Es wäre seiner Ansicht nach „eine ethisch nicht zu vertretende Handlungsweise, es einfach weiter laufen zu lassen, wenn man sieht, dass die bisherigen Maßnahmen nicht ausreichen“.
Im Übrigen verwies Söder darauf, dass der Landtag, wie zuvor vielfach gefordert worden war, am Dienstag über die Maßnahmen abstimmen solle. Auch dies habe zur Eile gezwungen. Sollte die Mehrheit aus CSU und Freien Wählern am Dienstag zustimmen, wovon auszugehen ist, dann werden die Maßnahmen um null Uhr in der Nacht auf Mittwoch in Kraft treten und bis zum 5. Januar gelten.