Bayerische Landgerichtsärzte : Schuften und schweigen
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Hubert Haderthauer (hier mit seiner Frau Christine bei einem Staatsempfang in Bayreuth 2012) hatte keine Genehmigung für eine Nebentätigkeit Bild: dpa
Landgerichtsärzte gibt es nur in Bayern. Auch der Mann der Staatskanzleichefin Christine Haderthauer gehört diesem Berufsstand an. Viel zu tun haben sie offensichtlich nicht, wie Rechnungsprüfer herausfanden.
Rechnungsprüfer stehen nicht unter Ironieverdacht. Ein Bild, mit dem der Bayerische Oberste Rechnungshof einen Prüfbericht zu den Landgerichtsärzten versehen hat, kann nicht als Anspielung auf die Modellauto-Affäre gemeint sein. Zu sehen sind zwar Instrumente, die nicht nur in einem Operationssaal, sondern auch beim Modellbau gute Dienste leisten können. In einem Aktenvermerk, aus dem der Bayerische Rundfunk zitiert, ist von einem „Skalpell“ die Rede, das 1997 im Bezirkskrankenhaus Ansbach sichergestellt worden sei; es stamme eindeutig aus der Modellwerkstatt, die es damals dort gab.
Rechnungsprüfer legen aber nichts nahe, schon gar nicht in Bildsprache: Sie stellen fest. Aber auch Feststellungen haben mehrere Bedeutungsebenen; der Prüfbericht des Rechnungshofes kann, ja muss als Subtext zur Modellauto-Affäre gelesen werden. Hubert Haderthauer hatte nach Angaben des Sozialministeriums als Arzt im Bezirkskrankenhaus Ansbach die „Arbeitstherapie Modellbau“ für psychisch kranke Straftäter eingeführt, bevor er Landgerichtsarzt in Ingolstadt wurde. Landgerichtsarzt war er auch 2003, als er seiner Frau Christine Haderthauer als Gesellschafter eines Unternehmens nachfolgte, das die Modellautos, die bei Sammlern Höchstpreise erzielten, vermarktete. Landgerichtsarzt ist Haderthauer immer noch.
Die Landgerichtsärzte, die öffentliche Bedienstete sind, gibt es in dieser Form nur in Bayern; ihre Geschichte reicht zweihundert Jahre zurück. Sie sind entweder Rechtsmediziner – mit Aufgaben wie der Leichenöffnung – oder Psychiater, die etwa die Schuldfähigkeit von Angeklagten begutachten. Der Rechnungshof hat die Organisation und die Wirtschaftlichkeit des gerichtsärztlichen Dienstes in den Jahren 2007 bis 2009 geprüft; bis 2008 war Hubert Haderthauer Gesellschafter des Modellbau-Unternehmens. In diesem Zeitraum gab es nach den Feststellungen der Prüfer 39 Landgerichtsärzte, für die sogenannte Tagebuchaufzeichnungen als Tätigkeitsnachweise vorgeschrieben seien.
Nur unvollständige Nachweise
Eine Nachschau habe ergeben, dass diese Nachweise häufig unvollständig oder gar nicht vorhanden gewesen seien. Nur bei 27 von 39 Ärzten habe deren Auslastung geprüft werden können, monieren die Prüfer. Sie kommen zu einer Feststellung, die Lobgesänge, die in der CSU auf die bayerische Staatsverwaltung – „eine der besten in Deutschland“ – angestimmt werden, zu einem Krächzen verkümmern lassen dürften. Bei den 27 geprüften Ärzten habe sich nur bei drei Ärzten eine Vollzeitauslastung ergeben; teilweise habe die Auslastung unter einem Drittel einer Vollzeitkraft gelegen.
Das Gesundheitsministerium begegnet den Feststellungen der Prüfer mit dem Einwand, die Tagebuchaufzeichnungen seien zur Ermittlung der Arbeitsbelastung nicht geeignet. Den Landgerichtsärzten sei „nicht bewusst gewesen, dass ihre Aufzeichnungen die Grundlage für die Berechnung der Arbeitsbelastung bilden könnten“. Viele Tätigkeiten seien nicht erfasst worden. Es wurde – so muss des Ministerium verstanden werden – bei den Landgerichtsärzten einfach kein großes Aufhebens über die eigene Arbeit gemacht; es wurde geschuftet und geschwiegen.
Verzweigte Zuständigkeiten
Die Passage über die Auslastung der Landgerichtsärzte ist nicht die einzige, die als Subtext zur Modellauto-Affäre gelesen werden kann. Bei den Recherchen habe sich ergebe, „dass eine ganze Reihe von Landgerichtsärzten Nebentätigkeiten in nicht unerheblichem Umfang ausübten“. Der „Vollzug der Nebentätigkeitsbestimmungen“ habe „in einigen Fällen offensichtliche Mängel“ aufgewiesen. Hubert Haderthauer beantragte nach Angaben des Gesundheitsministeriums gar keine Nebentätigkeitsgenehmigung für den Verkauf der Modellautos.
Heimito von Doderer, der in seinen Romanen die poetischen Tiefen der Bürokratie auslotete, hätte seine Freude an der Organisation des gerichtsärztlichen Dienstes gehabt, wie sie die Rechnungsprüfer skizzieren. Die Landgerichtsärzte gehören zum Gesundheitsministerium; das Justizministerium stellt Mitarbeiter für die Verwaltung ihrer Dienststellen; die Dienstaufsicht üben die Bezirksregierungen aus, die zum Innenministerium gehören. Diese Aufsicht habe sich auf „turnusmäßige Besichtigungen“ beschränkt, die auch nur teilweise „zeitnah“ vorgenommen worden seien; zum Teil hätten sie seit mehr als zwanzig Jahren nicht mehr stattgefunden.
Die Rechnungsprüfer kommen zu dem unfreundlichen Fazit, es bestünden Zweifel, „ob die Landgerichtsärzte mit den jetzigen Aufgaben überhaupt notwendig sind“. Das Gesundheitsministerium teilt diese Rigorosität nicht, hält aber „eine grundsätzliche Neuordnung des gerichtsärztlichen Dienstes“ für angebracht. Ein Reformkonzept solle nach der Sommerpause im Kabinett behandelt werden, kündigte ein Sprecher am Mittwoch an. Ob dann im Münchner Kabinettssaal noch Christine Haderthauer sitzen wird, ist eine andere Frage.