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Obama und Netanjahu : Beziehungsstatus: Zerrüttet

Präsident Barack Obama bei einem Treffen mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu am 5.März 2012 im Oval Office im Weißen Haus in Washington. Bild: dpa

Von Anfang an war die Beziehung zwischen Benjamin Netanjahu und Barack Obama eisig. Der Auftritt des israelischen Ministerpräsideten vor dem amerikanischen Kongress treibt den kalten Krieg zwischen beiden auf die Spitze.

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          Alon Pinkas sucht nicht lange nach beschönigenden Worten. Das Verhältnis zwischen Barack Obama und Benjamin Netanjahu sei „vergiftet“, sagt der frühere israelische Generalkonsul in New York. Seit bald sechs Jahren dauere diese „offene Konfrontation“ zwischen den beiden Politikern schon an, die Anfang 2009 an die Macht kamen.

          Hans-Christian Rößler
          Politischer Korrespondent für die Iberische Halbinsel und den Maghreb mit Sitz in Madrid.

          Am Dienstag erreicht sie mit Netanjahus Rede vor beiden Häusern des Kongresses einen neuen Höhepunkt. Das wurde in diesen Tagen unübersehbar: Normalerweise empfängt der Präsident den israelischen Ministerpräsidenten, wenn der in der amerikanischen Hauptstadt zu Besuch ist.

          Der Vizepräsident kommt in den Kongress, wenn befreundete Regierungschefs wie Netanjahu dort eine Rede halten. Dieses Mal will ihn keiner von beiden sehen. Joe Biden ist auf Reisen und Obama lehnte ein Treffen ab.

          Im Weißen Haus ist man immer noch verärgert darüber, dass Netanjahu die Einladung des republikanischen „Speaker of the House“ John Boehner annahm, der über die Rede vor beiden Häusern des Kongresses Obama nicht informierte.

          Eine wichtige Rolle spielte bei der Planung des Auftritts auch der israelische Botschafter in Washington Ron Dermer. Dermer, der in Florida aufgewachsen ist, unterhält beste Beziehungen nur zu den oppositionellen Republikanern und jüdischen Lobbyorganisationen wie Aipac - nicht jedoch ins Weiße Haus, wo er zu einer Art „unerwünschten Person“ geworden ist, wie man in Jerusalem schon länger berichtet.

          Schon bevor Dermer Botschafter in Washington wurde, fehlte ein direkter Draht zwischen Obama und Netanjahu, der es erlaubt, schnell und diskret Krisen zu meistern.

          Wenn es ernst wird, vertrauen und respektieren sich der Präsident und der Ministerpräsident nicht, wie sich jetzt wieder im Atomstreit mit Iran zeigt. Zuvor hatte Obama in zwei Anläufen versucht, Netanjahu zu einem Frieden mit den Palästinensern zu bewegen.

          Zuletzt hatte die amerikanische Frustration im vergangenen Frühjahr weiter zugenommen, nachdem die israelisch-palästinensischen Gespräche endgültig gescheitert waren. Der amerikanische Außenminister John Kerry warnte damals sogar davor, dass Israel zu einem „Apartheidstaat“ werden könnte, wenn es zu keinem Frieden mit den Palästinensern komme.

          Einer seiner Unterhändler gab Israel die Hauptschuld am Scheitern. Die Menschen in Israel dürften „die bittere Wahrheit nicht übersehen, dass die folgenreichste Sabotage die Siedlungen waren“, wurde der ungenannte Diplomat zitiert.

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          Netanjahu habe sich „nicht mehr als einen Zoll bewegt“. Zuvor hatte der israelische Ministerpräsident während des amerikanischen Wahlkampfs für Obamas Wiederwahl deutlich gemacht, wie wenig er vom amerikanischen Präsidenten hält: Netanjahu unterstützte damals dessen republikanischen Herausforderer Mitt Romney, von dem er sich auch eine härtere Gangart gegenüber Iran erhoffte.

          Dazu konnte sich Netanjahu selbst nicht durchringen. In seinen ersten Amtsjahren fürchteten die Amerikaner noch, er könnte im Alleingang die iranischen Atomanlagen angreifen.

          Verächtliche Kommentare aus Washington

          Später hatte man in Washington vor allem verächtliche Kommentare übrig: Er sei ein politischer „Schisser“, zitierte im November 2014 der amerikanische Journalist Jeffrey Goldberg in der Zeitschrift „The Atlantic“ einen ranghohen amerikanischen Regierungsvertreter. Gut sei, dass der israelische Ministerpräsident zu viel Angst habe, einen Krieg zu beginnen. Schlecht sei, dass er nichts tun werde, um einen Ausgleich mit den Palästinensern und sunnitischen Arabern zu finden.

          Er habe „einfach nicht den Mumm“ dazu, zitiert Goldberg weiter, der gute Beziehungen ins Weiße Haus unterhält. Das Verhältnis der beiden war schon viel länger zerrüttet. So hatte Obama während eines G-20-Gipfeltreffens dem damaligen französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy seufzend zugestimmt, der Netanjahu für alle hörbar als einen „Lügner“ bezeichnete; beide hatten gedacht, die Mikrofone seien abgeschaltet.

          Während Militärs und Geheimdienste beider Staaten so eng wie nie zusammenarbeiten und Amerika Israel militärisch und anderweitig großzügig unterstützt, scheint das persönliche Verhältnis zwischen den beiden Spitzenpolitiker nicht mehr zu retten zu sein – auch wenn Netanjahu jetzt in Washington betonte, wie sehr er Obama respektiere.

          Der frühere israelische Diplomat Alon Pinkas ist besorgt darüber, dass auch die Beziehungen zwischen den beiden Staaten Schaden nehmen könnten, sollten Netanjahu und Obama bis zum Ende von dessen letzter Amtszeit in zwei Jahren weiter ihre Differenzen austragen. „Ein politischer Wechsel ist nötig“, sagt Pinkas in Israel, wo Netanjahu in der Parlamentswahl am 17. März um eine weitere Amtszeit kämpft.

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