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Morde von Hanau : Könnten zwei der Opfer noch leben?

Angehörige der Opfer des Anschlags von Hanau bei einer Mahnwache vor dem Hessischen Landtag Anfang Dezember. Bild: dpa

Die Ermittlungen zum mutmaßlich verschlossenen Notausgang hatte die Staatsanwaltschaft eingestellt. Ein Gutachten bringt nun neue Erkenntnisse zum Tatablauf in der Arena Bar.

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          Neun Sekunden bleiben den fünf jungen Männern in der Arena Bar, um vor ihrem Mörder zu fliehen. Neun Sekunden, um zu entscheiden: Nehmen wir den Notausgang oder laufen wir in den hinteren Teil der Bar?

          Anna Schiller
          Volontärin.

          Zwei von ihnen überleben nicht: Said Nesar Hashemi und Hamza Kurtović werden am 19. Februar 2020 von einem Rechtsextremisten erschossen. Er ermordet an diesem Abend sieben weitere Menschen in Hanau, alle mit Einwanderungsgeschichte.  

          „Der Notausgang war für uns keine Option, weil jedem klar war, dass er zu ist“, sagte Said Etris Hashemi, dessen Bruder in der Arena Bar sein Leben verlor, am Montag vor dem Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags zu den Hanauer Morden. Im Zentrum der Sitzung stand eine Frage, zu der sich die Angehörigen vom Ausschuss eine Antwort erhoffen: Könnten die beiden Männer noch leben, wenn sie zum Notausgang gelaufen und dieser offen gewesen wäre?  

          Am Montag präsentierten die Angehörigen und Opfer dem Untersuchungsausschuss ein neues Gutachten, das der F.A.Z. vorliegt. Anhand der Aufnahmen von Überwachungskameras hat eine britische Forschungsgruppe den Tathergang in der Arena Bar rekonstruiert und einen alternativen Fluchtweg simuliert.  

          „Alle fünf Personen hätten den Anschlag überlebt“

          Die zeitliche Abfolge haben die Wissenschaftler mithilfe eines Fußballspiels, das auf dem Fernseher im Hintergrund der Aufnahmen zu sehen ist, in Sekundenschritten nachverfolgt. Daraus ergibt sich die Laufgeschwindigkeit der Opfer. Die jungen Männer rannten am Tatabend mit mehr als vier Metern pro Sekunde um ihr Leben.  

          Die Gutachter kommen zu dem Schluss, dass die Männer den Notausgang rechtzeitig hätten erreichen können: In diesem Szenario wäre nur einer von ihnen für den Bruchteil einer Sekunde für den Attentäter zu sehen gewesen. „Alle fünf Personen hätten den Anschlag überlebt, wenn sie gedacht hätten, dass ihnen der Notausgang einen möglichen Fluchtweg bietet“, heißt es in dem Gutachten.  

          Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Hanau hatten demgegenüber ergeben, dass die Männer den Notausgang nicht unbeschadet hätten erreichen können. Überlebende und Angehörige hatten aufgrund des mutmaßlich geschlossenen Notausgangs Anzeige wegen fahrlässiger Tötung erstattet.

          Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen eingestellt

          Zeugen hatten gesagt, die Polizei habe den verschlossenen Notausgang gebilligt, um zu verhindern, dass Gäste die Bar bei Razzien unbemerkt verlassen könnten. Im August 2021 stellte die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen ein, da keiner der Punkte mit hinreichender Sicherheit habe geklärt werden können. 

          Die Zeugen übten am Montag abermals Kritik an der Arbeit der Behörden, die sie als rassistisch empfanden. Hashemi warf der Polizei vor, dass sie ihn wie einen Täter behandelt hätte. Trotz einer Schussverletzung am Hals sei er nach seinen Personalien gefragt worden. 

          Der Krankenwagen, in dem er behandelt wurde, habe den Tatort lange nicht verlassen dürfen, sagte er. Von den hessischen Behörden erhoffe er sich, dass sie ihre Mitarbeiter zukünftig besser zu Rassismus schulten. 

          Auch Armin Kurtović, der Vater von Hamza Kurtović, kritisierte die Arbeitsweise der Ermittler. Lange Zeit habe er nicht gewusst, wo sich die Leiche seines Sohnes befunden habe. Dass er als Muslim seinen Sohn vor der Beisetzung nicht habe waschen können, belaste ihn bis heute.  

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