Judenfeindlichkeit : Antisemitismus-Beauftragter fordert Änderung des Strafrechts
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Die Neue Synagoge in Berlin Bild: dpa
Felix Klein schlägt vor, dass sich antisemitische Motive strafverschärfend auswirken. Außerdem verlangt er, dass alle Schulen judenfeindliche Vorfälle melden müssen.
Um antisemitische Straftaten in Deutschland wirksamer zu bekämpfen, fordert Felix Klein, der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, zusätzliche Anstrengungen. So solle eine härtere Ahndung von aus Judenfeindlichkeit begangenen Straftaten ermöglicht werden, indem der Paragraph 46 des Strafgesetzbuches ausdrücklich auch eine antisemitische Motivation berücksichtige, sagte Klein am Mittwoch in Berlin. Laut dem Absatz 2 des Paragraphen kann das Gericht bei der Strafzumessung „die Beweggründe und Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende“, besonders gewichten.
Klein will, dass hier auch antisemitische Motive und Ziele aufgenommen werden. Er hatte diese Ergänzung schon für das kürzlich vorgestellte Maßnahmenpaket der Bundesregierung gegen Rechtsradikalismus gefordert, war damit aber auf den Widerstand von Abgeordneten gestoßen. Bayern hat eine entsprechende Bundesratsinitiative eingebracht. Eine solche Regelung wäre ein wichtiges Signal an die jüdische Gemeinschaft in Deutschland und zugleich „Handlungsanleitung“ für Richter und Staatsanwälte, sagte Klein.
Generelle Meldepflicht?
Der Antisemitismusbeauftragte, der seit anderthalb Jahren im Amt ist, forderte zudem eine generelle Meldepflicht an Schulen, wenn es zu antisemitischen Vorfälle gekommen ist. Sie gibt es bisher nur in Berlin, Brandenburg und Bayern. Wichtig sei ein offener Umgang an den Schulen mit solchen Vorfällen. In den Schulen und den Schulbüchern sollten Juden nicht nur als KZ-Häftlinge und Opfer in den Jahren des Nationalsozialismus behandelt werden, sondern auch die großen kulturellen und politischen Leistungen von Juden in Deutschland vorkommen. Sonst komme es zu einer verzerrten Wahrnehmung.
Auch eine Sensibilisierung von Juristen, die antisemitische Straftaten oft nicht erkennten, hält Klein für notwendig, etwa im Laufe ihres Referendariats durch einen Besuch im Haus der Wannseekonferenz in Berlin.
Dass es nun in 14 Bundesländern Antisemitismusbeauftragte gibt, lobte Klein. Sie stimmten sich bereits in ihrer Arbeit ab. Um repressive und präventive Maßnahmen noch wirksamer zu machen, schlug Klein die Einrichtung eines bundesweiten dezentralen Meldesystems vor, das nach dem Beispiel der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (Rias) Berlin eine breitere Datengrundlage über Antisemitismus in Deutschland schaffen solle. Das könne die Arbeit der Polizei ergänzen. Für viele Bürger gebe es eine Hemmschwelle, Anzeige zu erstatten.
Nach den Angaben der Polizei haben 90 Prozent der antisemitischen Straftaten einen rechtsextremistischen Hintergrund, nur fünf Prozent einen islamistischen. In der Wahrnehmung der Jüdinnen und Juden sei die Aggression von islamistischer Seite aber viel stärker. Das sei auch bei den Daten so, die Rias sammele.
Antisemiten sehen sich als Opfer
Es sei zudem „absolut nicht hinnehmbar“, dass jüdische Passagiere, die etwa von Frankfurt über Kuweit nach Bangkok fliegen wollten, das nicht tun könnten, weil Kuweit sie zurückweise. Das müsse in Luftverkehrsverhandlungen mit Kuweit aufgenommen werden.
Deutschland habe es mit einem „neu erstarkten Antisemitismus“ zu tun, sagte Klein. Der Anschlag auf die Synagoge von Halle sei ein Einschnitt, danach könne niemand mehr behaupten, „dass Antisemitismus nicht so ein großes Problem ist“. Klein wandte sich gegen die Auffassung, Antisemitismus sei nur eine Unterform des Rassismus. Antisemiten hingen einer Verschwörungstheorie an, sähen sich selbst als Opfer und wähnten sich in einer „imaginären Verteidigungssituation“.