Merkel trifft Söder : Der Mann mit den drei Masken
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Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) empfängt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor der gemeinsamen Schifffahrt nach Herrenchiemsee. Bild: dpa
Bei ihrem Besuch am Chiemsee lässt sich die Kanzlerin von Markus Söder keine weiß-blaue Maske verpassen. Mit seinem doppeldeutigen Spiel rund um die Kanzlerfrage scheint Angela Merkel aber kein Problem zu haben.
Das Treffen von Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Chef Markus Söder findet auf Herrenchiemsee statt, einer Insel auf einem See also, der, man muss es so deutlich sagen, kein Meer ist, aber wenigstens groß genug, um „Bayerisches Meer“ genannt zu werden. Reicht das nicht schon aus zur Charakterisierung der Gastgeber?
Auch sonst sind die gemeinsame Kutsch- und Schifffahrt, für welche die gemeinsame Kabinettssitzung in der großen Spiegelgalerie des Neuen Schlosses eine schillernde Kulisse bietet, ein wahrer Schatz für alle Zeichendeuter und Tiefenpsychologen. Dass Merkel überhaupt Söders Einladung in diesen prunkvollen, Versailles nachempfundenen Bau, der wie eine Antithese zu ihrem eigenen Regierungsstil wirkt, angenommen hat, sagt das etwa nichts aus über ihre Präferenz, wer ihr im Kanzleramt nachfolgen solle? Oder will sie diesem Eindruck dann doch entgegentreten?
Als Söder ihr beim Empfang drei Gesichtsmasken darreicht – eine mit bayerischem, eine mit deutschem, eine mit europäischem Fahnenmuster – da nimmt sie sie erst einmal nicht an sich. Andererseits: Sie trägt ja schon eine Maske, die mit dem Logo der soeben begonnenen EU-Ratspräsidentschaft. Und dass sie sich keine weiß-blaue Maske überziehen kann, versteht sich von selbst. Söder hat gute Erfahrungen gemacht mit der Indienstnahme bayerischer Sehenswürdigkeiten für politische Termine, man denke nur an die Ausflüge auf die Zugspitze, aber auch mit symbolisch aufgeladenen Politikertreffen.
Als Söder im vergangenen Sommer gemeinsam mit dem Grünen Winfried Kretschmann über den Bodensee schipperte, konnte er damit den politischen Gegner ärgern und sich selbst in Richtung Landesväterlichkeit manövrieren. Aber damals wurde auch noch nicht darüber spekuliert, ob er Kanzlerkandidat der Union werden könnte. Das ist heute anders.
Söders Spiel
An der Anlegestelle in Prien haben sich einige Söder-Fans eingefunden. Einer hat ein Schild gebastelt, dass in seiner Emphase noch steigerungsfähig ist, aber doch eindeutig genug, um das Interesse des Ministerpräsidenten zu wecken: „Markus Söder Kanzlerkandidat? Ja.“ Söder geht auf die Söderianer zu, sucht aber ein gemeinsames Bild zu vermeiden. Zur Begründung verweist er auf Corona – und darauf, dass er wegen derlei Schildern im Leben schon „viel Ärger“ bekommen habe. Im November 2017 hatte er sich neben Frauen und Männern der Jungen Union ablichten lassen. Die hielten Schilder mit „Söder – unsere neue Nummer 1“ oder „MP Söder“ in Händen, wobei der damalige Finanzminister auf dem Bild keineswegs unerfreut wirkte. Ein paar Monate später war er Ministerpräsident.
Das Spiel, das Söder im Moment spielt, befeuert durch zahlreiche Journalistennachfragen, war also schon mal erfolgreich. Es besteht aus Anspielungen und Doppeldeutigkeiten. Es ist ein Balanceakt, allerdings mit Netz und doppeltem Boden. Alle, die in der Sitzung auf Herrenchiemsee bayerischen oder gar Söderschen Größenwahn erkennen mögen, werden darauf hingewiesen, dass hier schließlich die Wiege des Grundgesetzes stehe. Wer hinzusetzt, das Grundgesetz sei vom bayerischen Landtag aber abgelehnt worden, der wird freundlich daran erinnert, dass die Bayern das nur getan hätten im Wissen, dass es auch ohne sie eine ausreichende Mehrheit gebe. Dieses Spiel hat seinen Reiz, es könnte aber sein, dass die Bereitschaft, sich darauf einzulassen, nicht überall in der Republik so groß ist wie im Freistaat.