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Jasper von Altenbockum (kum.)

Merkel im Berliner Ensemble : Der Vorhang zu, und alle Fragen offen

Die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am 7. Juni 2022 im Berliner Ensemble. Sie antwortet auf Fragen des Journalisten und Autors Alexander Osang. Bild: dpa

Wie sich das für ein Theater gehört: Der Auftritt von Angela Merkel im Berliner Ensemble hatte hohen Unterhaltungswert. Wirklich klüger ist man aber nicht geworden.

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          Sind wir nach diesem Auftritt Angela Merkels sehr viel klüger geworden? Wir wissen jetzt, dass die Kanzlerin unter anderem deshalb gegen eine feste Perspektive für eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine war, weil sie fürchtete, dass Russland sich herausgefordert fühlen könnte und es schon früher zum Krieg hätte kommen können.

          Wir erfuhren außerdem, dass die Ukraine zum damaligen Zeitpunkt in einem anderen Zustand war als heute, gespalten, von Korruption befallen. Und wir wissen, dass die Verhandlungen und Gespräche mit Wladimir Putin dem Land Zeit verschafft haben, um sich auf die Eskalation einzustellen, die immer befürchtet wurde und dann tatsächlich eingetreten ist.

          Putins „Sprache“ ist lange nicht gesprochen worden

          All das wussten wir allerdings schon vorher. Klüger wären wir, wenn wir wüssten, warum erst jetzt im Westen mühsam die Mittel zusammengesucht werden, mit denen sich die Ukraine dieser Eskalation entgegenstellen kann. Klüger wären wir auch, wenn wir wüssten, ab wann die Einsicht Merkels zum Handeln trieb: „Das ist die einzige Sprache, die Putin versteht“.

          War das schon vor mehr als zehn Jahren bekannt, als Merkel wusste, dass Putin die EU zerstören will? Denn die „Sprache“, militärische Abschreckung, ist ganz offensichtlich nicht gesprochen worden. Lag das nur an Merkels Koalitionspartner, der SPD, die bewaffnete Drohnen nicht einkaufen wollte?

          Wir wissen nun auch, wie das war 2007 mit dem Labrador von Putin, von dem sich eine „tapfere Bundeskanzlerin“ nicht einschüchtern lassen dürfe. Dass sie Deutsch spricht mit ihm, nicht Russisch. Wir wissen, wie sich fünf Wochen Ostsee-Urlaub anfühlen und warum die Renaissance so wichtig war. Dass 16 Jahre eine verdammt lange Zeit sind.

          Mehr noch: Wir wissen nun auch, dass Merkel weiß, dass die Öffentlichkeit mehr als ein Großthema kaum noch verträgt. Dass eine Bundeskanzlerin aber mehr als ein Großthema zu beackern hat. Dass wer brüllt, nicht recht hat. Dass Merkel Vertrauen hat in die jetzige Regierung. (Was hätte sie wohl über Söder gesagt?) Dass Merkel nicht einfach irgendwo anruft, um sich einzumischen. Und dass sie sich nicht entschuldigen wird.

          Vermutet hatten wir das alles schon seit langem. Jetzt wissen wir es ganz genau.

          Jasper von Altenbockum
          Verantwortlicher Redakteur für Innenpolitik.

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