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Streit in der Ampel-Koalition : Sind die Blockaden der Berliner Stadtautobahn gerechtfertigt?

Klimaaktivisten der Gruppe „Aufstand der letzten Generation“ sitzen am 4. Februar auf der Fahrbahn der Autobahn A100 vor der Ausfahrt Beusselstrasse in Berlin Bild: dpa

In Berlin blockieren Klimaaktivisten seit Tagen die Stadtautobahn. Die Autofahrer im Stau sind genervt. Nun hat der Streit darüber auch die Ampel-Koalition erreicht – denn die Meinungen gehen auseinander.

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          Wer in Berlin mit dem Auto unterwegs ist, kann seit Tagen un­verhofft in lange Staus geraten. Der Grund sind Blockaden von Umweltaktivisten. Die Demonstranten, die sich selbst die „letzte Generation“ nennen, setzen sich immer wieder auf die Ber­liner Stadtautobahn A 100 und deren Zu­fahrten. In den vergangenen Tagen taten sie es mehr als 30-mal. Organisiert in kleinen Gruppen legen sie Le­bensmittel auf die Fahrbahn, viele kleben eine Handfläche mit Sekunden­kleber auf dem Asphalt fest. Unter dem Motto „Essen retten – Leben retten“ fordern sie ein sofortiges Gesetz gegen Lebensmittelverschwendung und eine unverzügliche Agrarwende, damit Klimagase aus der Landwirtschaft reduziert werden.

          Markus Wehner
          Politischer Korrespondent in Berlin.

          Auch am Donnerstag blockierten wieder Demonstranten Abschnitte der Au­tobahn. Die Polizei holte eine hochschwangere Frau mit einem Wagen aus dem Stau und brachte sie mit Blaulicht ins Krankenhaus. Viele Autofahrer sind wegen der Blockaden aufgebracht. Manche Fahrer zerren Demonstranten eigenhändig von der Straße – in der Regel mit geringem Erfolg, weil gleich wieder an­dere Demonstranten deren Platz einnehmen, wie in Videos in den sozialen Me­dien zu sehen ist. Auf Twitter kursiert ein Video, das zeigt, wie ein Autofahrer einer Aktivistin ins Gesicht schlägt.

          „Grenzüberschreitend und nicht zu akzeptieren“

          Der Streit, ob solche Formen des Protests gerechtfertigt und rechtens sind, hat mittlerweile die Bundespolitik er­reicht und spaltet sogar die Ampelkoa­lition. Die grüne Bundesumweltministerin Steffi Lemke verteidigte die Aktionen der Klimaschützer. „Es ist absolut legitim, für seine Anliegen zu demons­trieren und dabei auch Formen des zi­vilen Ungehorsams zu nutzen“, sagte sie nach Angaben des „Tagesspiegels“ am Mittwoch auf einer Veranstaltung.

          Ähnlich äußerte sich auch die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang: Ziviler Un­gehorsam sei ein legitimes Mittel des po­litischen Protests, sagte sie, wobei sie einschränkte, dass er friedlich bleiben müsse und durch die Aktionen keine Menschenleben gefährdet werden dürften. Den Grünen widersprach am Donnerstag Justizminister Marco Buschmann von der FDP: „Ziviler Ungehorsam ist im deutschen Recht weder Rechtfertigungs- noch Entschuldigungsgrund. Unangemeldete Demos auf Autobahnen sind und bleiben rechtswidrig“, schrieb er auf Twitter.

          Einige Aktionen erscheinen besonders gefährlich. Am vergangenen Freitag seilten sich zwei Klimaschützer von einer Brücke im Ortsteil Schöneberg auf die Autobahn A 103 ab, die Polizei sperrte die Fahrbahn in beide Richtungen. Auch blockierte die Gruppe un­längst die Autobahnabfahrt nahe dem Virchow-Klinikum. Da die Autofahrer keine Rettungsgasse gebildet hatten, kam der Rettungswagen nicht mehr bis zum Krankenhaus durch. Berlins Re­gierende Bürgermeisterin Franziska Giffey von der SPD hatte schon vor Ta­gen geäußert, die Art und Weise, wie in Berlin für Klimaschutz und gegen Le­bensmittelverschwendung protestiert werde, sei „grenzüberschreitend und nicht zu akzeptieren“. Innensenatorin Iris Spranger von der SPD sagte am Donnerstag, die Blockaden gefährdeten Menschenleben.

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