Alternative für Deutschland : Lucke und Henkel führen die AfD in die Europawahl
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Bernd Lucke bei seiner Rede auf dem AfD-Bundesparteitag Bild: dpa
Vor 500 Mitgliedern warnt der eurokritische AfD-Gründer Lucke vor einer „undemokratischen“ EU. Die AfD nominiert ihn zum Spitzenkandidaten. Auf Platz zwei wählen die Delegierten Hans-Olaf Henkel.
Mit scharfen Angriffen auf die „Altparteien“ hat Bernd Lucke, der Chef der Alternative für Deutschland, den Bundesparteitag der AfD in Aschaffenburg eröffnet. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nannte er ein „Chamäleon“, das sich seinen jeweiligen Partnern anpasse. „In SPD-Gesellschaft lauscht sie und macht SPD-Politik. In Gesellschaft der europäischen Partner lauscht sie und macht die Politik der europäischen Partner. In Gesellschaft der Banken lauscht sie und macht die Politik der Banken. In Gesellschaft der NSA wird sie belauscht und macht gar nichts“, kritisierte Lucke. Seine kämpferische Rede wurde von den rund 320 Delegierten und weiteren 150 Mitgliedern mit starkem Applaus bedacht.
Nach Monaten voller Personalquerelen versucht die Partei sich in Aschaffenburg auf die Europawahl vorzubereiten und ein Signal der Geschlossenheit zu senden. Mehr als 100 Kandidaten für die Europaliste gibt es. Lucke wurde mit klarer Mehrheit zum Spitzenkandidaten für die Europawahl gewählt. Daran anschließend auf Platz zwei der Liste wählten die Delegierten Hans-Olaf Henkel, den ehemaligen BDI-Präsidenten. Henkel sagte, er habe in der AfD bei zahllosen Veranstaltungen „niemals verrückte Neonazis oder sonst was gesehen, sondern die Mitglieder kommen aus der Mitte der Gesellschaft.“
In der Nacht vor der AfD-Versammlung gab es Farbbeutelwürfe und Schmierereien an der Fassade der Frankenstolz-Arena, wo die Partei tagt. Dabei sei Sachschaden von mehreren Tausend Euro entstanden, sagte ein Sprecher der Polizei Aschaffenburg. Die Täter stammten mutmaßlich „aus dem linken Spektrum“, sagte der Polizeisprecher der F.A.Z. Vor der Halle demonstrierten während des Parteitages etwa 50 Jugendliche mit „Antifa“-Fahnen.
Die AfD will in den Europawahlkampf mit dem Slogan „Mut zu D-EU-tschland“ ziehen. Das „EU“ wird grafisch von gelben Sternen umkränzt. Immer wieder wird der Partei von politischen Konkurrenten ein Spiel mit nationalistischen und anti-europäischen Parolen vorgeworfen. Lucke weist dies zurück. Er warf aber den EU-Institutionen vor, sie würden sich von den „zentralen Werte der Europäischen Union“ wie Demokratie, Subsidiarität und Solidarität entfernen. Der Euro-Rettungsfonds ESM sei kein Beispiel für Solidarität, sondern sei eine „Institution des Anti-Solidarischen“, weil nicht den Ärmsten und Arbeitslosen in Osteuropa oder in Südeuropa geholfen werden. „Unsolidarisch ist, was der ESM eigentlich bewirkt: Die Umverteilung von Mitteln der einfachen Sparer und Steuerzahler zur Deckung der Verluste von Banken und institutionellen Finanzinvestoren“, sagte der 51 Jahre alte eurokritische Ökonom Lucke.
„Deutschland soll ein souveränes Land bleiben“
Die AfD sei für ein dezentrales, demokratisches und bürgernahes Europa. „Statt Bürokratie, Regulierung und Zentralismus wollen wir ein Europa der sozialen Verantwortung, das sich in erster Linie den Interessen der Sparer, der Steuerzahler und der arbeitslosen Jugendlichen verpflichtet fühlt“, sagte Lucke. Die EU missachte das Prinzip der Subsidiarität, wenn in Brüssel entschieden werde, wie viel Watt ein Staubsauger haben dürfe, wie die Bürger ihre Zimmer beleuchteten und wie viel Wasser durch die Klospülung fließen dürfe.
Als große Gefahr malte Lucke das Szenario einer europäischen Wirtschaftsregierung. „Brüssel soll künftig bindende Vorgaben zur Wirtschafts- und Fiskalpolitik der Einzelstaaten machen können, gegen die ein Aufbegehren der nationalen Parlamente nicht mehr möglich ist.“ Die EU habe ein schweres Demokratiedefizit, es fehle an der Gewaltenteilung. Wichtige Verträge wie der Maastricht-Vertrag seien gebrochen worden. Doch die „Altparteien“ und „Berufseuropäer“ hätten die EU zu einem „Götzen“ erhoben und wollten die Bürger „einlullen“. Seine AfD setze sich für Volksabstimmungen ein. „Deutschland soll ein souveränes Land bleiben, in einem Bund souveräner Staaten, der sich Europäische Union nenne, aber nicht United States of Europe“.
Lucke bemühte sich in seiner Rede, die AfD nicht als anti-europäisch erscheinen zu lassen. Die AfD wolle „europäische Errungenschaften“ erhalten, darunter die weitgehende Aufhebung der Grenzkontrollen, den europäischen Binnenmarkt, den freien Verkehr von Waren, Kapital und Personen. „Zu den Errungenschaften gehört der unbezweifelhafte Wille aller EU-Staaten, in guter Nachbarschaft friedlich und vertrauensvoll zusammenzuleben“, sagte Lucke. Allerdings kritisiert seine Partei, dass der Euro und die Euro-Rettungspolitik „spalte“ und nicht eine.
Am Mittag begann die Kandidatenwahl der AfD. Lucke wurde mit 261 gegen 36 Stimmen auf den ersten Platz gewählt. Zuvor hatte es eine kurze Diskussion über eine mögliche Zusammenarbeit mit der britischen Unabhängigkeitspartei UKIP gegeben. Der zweitplatzierte Olaf Henkel setzte sich mit 78 Prozent gegen einen rhetorisch starken Gegner durch. Auf den dritten Listenplatz wählten die Delegierten den baden-württembergischen AfD-Landesvorsitzenden Bernd Kölmel, einen Referatsleiter des Landesrechnungshofs in Stuttgart. Auf Platz vier wurde die Berliner Juristin und Vorsitzende der „Zivilen Koalition“ Beatrix von Storch gewählt. Mit Abstand das beste Ergebnis erhielt für Platz fünf der Tübinger Wirtschaftswissenschaftler Joachim Starbatty.
Die AfD liegt derzeit in bundesweiten Meinungsumfragen bei vier bis fünf Prozent. Bei der Europawahl gilt eine Drei-Prozent-Hürde.