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Allensbach-Studie : Die Grenzen der Propaganda

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Befreier oder Aggressor? Russische Feier zum Jahrestag der Krim-Annektion Bild: Reuters

Die Kommentarlage im Internet zum Ukraine-Konflikt spiegelt nicht die Meinung der Bevölkerung zu diesem Thema wider. Die Mehrheit der Deutschen hält Russland nicht nur für den Schuldigen an der Krise, sondern auch für einen Aggressor.

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          Man kann das Buch „Öffentliche Meinung“ des amerikanischen Journalisten Walter Lippmann aus dem Jahr 1922 mit Recht als Jahrhundertwerk bezeichnen. Als Kriegsberichterstatter im Ersten Weltkrieg und Berater des amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson hatte Lippmann Zugang zu Informationen über den Kriegsverlauf, über die die Bevölkerung nicht verfügte, und stellte fest, wie sehr die Wirklichkeitswahrnehmung der Bürger von der Zeitungsberichterstattung verzerrt wurde.

          Lippmann zufolge wurden die Kriegsnachrichten durch die Propaganda gefiltert und verfälscht, durch die Journalisten dann unvermeidlicherweise grob vereinfacht weitergegeben. Dies wurde von den Zeitungslesern wiederum vereinfacht aufgenommen. Die „Bilder in den Köpfen“ der Leser, wie Lippmann es nannte, hatten schließlich nicht mehr viel mit der Wirklichkeit zu tun. Doch ebendiese Bilder, nicht die tatsächlichen Ereignisse, bestimmten das Handeln der Menschen.

          Lippmanns Buch ist so etwas wie das Gründungsdokument der modernen Kommunikationsforschung, und obwohl es vor 93 Jahren veröffentlicht wurde, ist es erstaunlich aktuell, denn auch heute kann man erleben, wie mit Hilfe staatlicher Propaganda versucht wird, Bilder in den Köpfen der Bürger zu erzeugen, die mit der Wirklichkeit nicht viel zu tun haben: Wer die Berichterstattung der staatlich gelenkten russischen Medien über die Annexion der Krim und den Krieg in der Ostukraine verfolgt, dem wird eine ganz andere Geschichte präsentiert als dem Nutzer freier, unabhängiger Medien: Demnach habe sich in der Ukraine eine Regierung an die Macht geputscht, die Greuel an der russischstämmigen Bevölkerung begangen habe, so dass Russland habe eingreifen müssen, um diese Menschen zu schützen. Hinter dem „Putsch“ stünden die Vereinigten Staaten und die Nato, die Russland einkreisen und letztlich vernichten wollten.

          Betrachtet man die Kommentarspalten der Internetausgaben deutscher Massenmedien, kann man den Eindruck gewinnen, dass diese Geschichte auch von der deutschen Bevölkerung geglaubt wird. Jedenfalls sind dort nicht selten die Beiträge in der Überzahl, die die Erzählung von der Verschwörung des Westens gegen Russland in immer neuen phantasievollen Varianten durchdeklinieren. Doch wer glaubt, dass solche Kommentare das Meinungsbild der Bevölkerung korrekt widerspiegeln, irrt. Dies zeigen die Ergebnisse der jüngsten Repräsentativumfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

          Ein Beispiel dafür sind die Antworten auf die Frage „Wer trägt Ihrer Meinung nach die Hauptschuld an dem Konflikt in der Ukraine: die ukrainische Regierung, die Separatisten in der Ostukraine, Russland, die USA oder wer sonst?“ Dabei konnten die Befragten auch mehrere Hauptschuldige benennen: 55 Prozent antworteten auf die Frage, ihrer Ansicht nach sei Russland ein Hauptschuldiger an dem Konflikt; an zweiter Stelle, genannt von 34 Prozent, folgten die Separatisten. Dagegen machten nur 20 Prozent die Ukraine für die Lage verantwortlich. Den Vereinigten Staaten gaben 17 Prozent die Schuld an dem Konflikt, der Europäischen Union 6 Prozent.

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