Albig gegen Kanzlerkandidatur : Wahlempfehlung für Merkel
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Mindestens ein Merkel-Fan aus der SPD: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig (M) und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (beide SPD) am 1.April 2014 beim Energiegipfel im Kanzleramt. Bild: Picture-Alliance
Mit seinem Gedankenspiel, auf einen SPD-Kanzlerkandidaten zu verzichten, füllt Torsten Albig das Sommerloch. Sein Lob für Angela Merkel ist deprimierend für Parteichef Gabriel. Ein Kommentar.
Als Guido Westerwelle sich 2002 zum Kanzlerkandidaten der Acht-Prozent-Partei FDP ausrief, wurde das als Größenwahn verspottet. Nun hat Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig eine mögliche Kanzlerkandidatur des Vorsitzenden der 25-Prozent-Partei SPD bei der Bundestagswahl 2017 de facto als aussichtslos und damit indirekt ebenfalls als größenwahnsinnig bezeichnet.
Gegen eine Kanzlerin Angela Merkel, die ihren Job „ganz ausgezeichnet“ mache, habe es sein Parteichef Sigmar Gabriel schwer. Man müsse darüber sprechen, ob in einer solchen Ausgangslage „die Bezeichnung Kanzlerkandidat richtig“ sei. Mit seiner Eloge auf die Kanzlerin und dem Zweifel am Sinn einer Kanzlerkandidatur Gabriels hat der Sozialdemokrat Albig ohne Not eine Sommerlochdebatte losgetreten. Die seit Wochen in der SPD anschwellende Unruhe über die Führungsfähigkeiten Gabriels und seinen als „Zick-Zack“-Kurs empfundenen Politikstil verstärkt Albig mit seiner Wortmeldung gewaltig.
Schon seinem früheren Chef Peer Steinbrück hatte der ehemalige Sprecher des Finanzministeriums vor dem Bundestagswahlkampf 2013 im F.A.S.-Interview von einer Kanzlerkandidatur abgeraten.
Und die Zweifel am möglichen Kanzlerkandidaten Gabriel streut Albig schon seit Monaten, giftig verpackt in Lob für Angela Merkel („Wenn sich die Bürger einen Kanzler malen könnten, käme sicher so etwas wie Frau Merkel dabei raus.“) Angesichts seiner Begeisterung für die CDU-Kanzlerin fehlt eigentlich nur noch der Rat an die SPD, für die Kanzlerin eine Wahlempfehlung abzugeben. Womöglich ist es auch die Arbeitsteilung zwischen CDU und SPD, die Albig so schön findet. Die Union stellt die Regierungschefin, die SPD dominiert mit neun von 16 Ministerpräsidenten die Länder.
Der Spitzengenosse aus dem Norden hat jedenfalls offen ausgesprochen, was man von Sozialdemokraten aus der ersten, zweiten und dritten Reihe in Hintergrundgesprächen und auf Berliner Sommerfesten hört. Die Bundestagswahl 2017 könne die SPD bei einer Spielgegnerin Merkel wie 2009 und 2013 als verloren abschreiben.
Nach dem Müntefering-Motto „Opposition ist Mist" wird intern als eigentliches Wahlziel das weitere Mitregieren als Juniorpartner an der Seite der CDU-Kanzlerin definiert. Die Strategie Gabriels, so hört man aus der SPD-Spitze, richte sich allein auf das Ziel, einen Partnerwechsel der Union zu Schwarz-Grün oder noch schlimmer zu Schwarz-Gelb zu verhindern.
Gelänge Gabriel dieses Minimalziel, für das jedoch zumindest die 30-Prozent-Marke geknackt werden müsste, könne die SPD nach dem Ende der Ära Merkel bei der übernächsten Bundestagswahl 2021 endlich wieder auf Sieg und Kanzlerschaft setzen. So lautet das auch von Albig in seiner Interview-Serie offen ausgesprochene Kalkül in der SPD.
Es ist jedoch eine Strategie mit einem gravierenden Risiko: Die Motivation für SPD-Mitglieder, zum dritten Mal in einen von führenden Genossen wie Albig als aussichtslos abgeschriebenen Wahlkampf zu ziehen, dürfte gegen Null gehen.
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Mehr erfahrenStatt als Merkels Dauerpartner wieder soziale Wohltaten wie den Mindestlohn durchzusetzen und auf bessere Zeiten zu hoffen, könnte sich die SPD dann wohl ohne Gabriel auch mit 20 Prozent dauerhaft auf der Oppositionsbank wiederfinden. Der frühere SPD-Vorsitzende Oskar Lafontaine hatte schon recht, als er bei seinem Putsch gegen Rudolf Scharping auf dem Mannheimer Parteitag 1995 die am scheinbar ewig regierenden Kanzler Helmut Kohl verzweifelnden Parteifreunde an die Grundbedingung für einen erfolgreichen Wahlkampf erinnerte: „Es gibt noch Politik-Entwürfe, für die wir uns begeistern können, und wenn wir selbst begeistert sind, können wir auch andere begeistern.“
Zumindest über diese Qualifikation verfügt Sigmar Gabriel. Niemand in der SPD ist so begeistert über Gabriel wie er selbst. Nicht einmal Torsten Albig.