Ein Malermeister fällt aus der Rolle
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Tino Chrupalla vor der Sommerpause im Bundestag Bild: Imago
AfD-Spitzenkandidat Tino Chrupalla ist kein Intellektueller, sondern ein Malermeister aus Görlitz. Manchen in der AfD ist das peinlich. Andere halten es für eine Stärke.
Tino Chrupalla hat einen Spitznamen in der AfD, der nicht besonders nett ist, schon gar nicht für einen Spitzenkandidaten. Sie nennen ihn „Pinsel“. Das hat damit zu tun, dass Chrupalla ein Malermeister aus Görlitz ist und der Pinsel über viele Jahre sein Arbeitsgerät war. Es hat aber auch damit zu tun, dass Chrupalla nicht studiert hat, sondern man ihm das Malermeisterhafte eben auch im Politikeralltag anmerkt, weshalb manche „Pinsel“ sagen im Sinne von „Einfaltspinsel“. Sie sagen, Chrupalla sei nicht die hellste Kerze auf der Torte. Sie sagen, Chrupalla sei der lebende Beweis, dass die AfD keine Professorenpartei mehr sei, sondern eine Proletenpartei. Und sie sagen, dass die vermeintliche Schwäche, ein Malermeister zu sein, der dem Establishment Paroli bietet, Chrupallas größte Stärke sein könnte, wenn er diese Rolle endlich mal spielen würde, statt im Fernsehen den Bildungsbürger zu mimen, auf Moskau-Reisen den Weltpolitiker und auf dem Rücksitz eines 7er BMW-Dienstwagens den Gernegroß.
Seine Förderer wollten, dass er das alles ganz anders macht. Als er im Jahr 2015 in die AfD eintrat, wurden Leute aus der sächsischen Parteiführung auf ihn aufmerksam. Da war dieser Maler und Lackierer, ein gestandener Handwerker aus dem Volk, der bei Parteitreffen immer sympathisch lächelte und gut aussah, zumindest besser als die anderen AfD-Leute. Aus diesem Mann wollten sie etwas machen, für die Bundestagswahl 2017. Er war genau das, was die AfD im Osten sein wollte, nämlich keine Partei wütender, neoliberaler Professoren, sondern eine Bewegung von Handwerkern und Arbeitern, die Ausländer nicht mögen, dafür aber einen nationaldeutschen Sozialstaat. Sie machten Veranstaltungen mit Chrupalla in Görlitz, und er kam gut an. Er wurde auch in den Bundestag gewählt. Kaum war er aber dort angekommen, fiel er aus der ihm zugedachten Rolle.
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