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AfD-Politiker in Syrien : Auf dem Weg zum Mufti

Hand drauf: Großmufti Hassoun und Christian Blex (AfD) Bild: Twitter/Christian Blex

Sechs AfD-Politiker aus Bund und Land bereisen Syrien, „um sich ein Bild der Lage“ zu machen. Dabei treffen sie den syrischen Großmufti. Dieser hat in der Vergangenheit mit Terroranschlägen in Europa gedroht.

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          Christian Blex hat ein Faible für Frauen ohne Kopftuch. Seit Montag spaziert der nordrhein-westfälische AfD-Abgeordnete mit fünf Parteifreunden durch Damaskus, fotografiert kopftuchlose Frauen und veröffentlicht die Bilder auf Facebook. Sein Kommentar: „In Mekka oder Berlin-Neukölln kaum vorstellbar.“ Islamische Kleidungsvorschriften sollen in Berlin also verbreiteter sein als in Damaskus. Die syrischen Frauen schauen bisweilen etwas irritiert in die Kamera von Blex.

          Justus Bender
          Redakteur in der Politik der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.
          Christoph Ehrhardt
          Korrespondent für die arabischen Länder mit Sitz in Beirut.

          Zuhause, in Deutschland, geht derweil die Sorge um. In der AfD-Bundestagsfraktion, zu der drei der sechs Reisenden gehören, wird auf eine gesunde Rückkehr der Delegation gehofft. „Das kann auch schiefgehen, wenn die da hinfahren und einer kommt tot zurück“, sagte der AfD-Obmann im Auswärtigen Ausschuss, Petr Bystron, dieser Zeitung. Der thüringische AfD-Abgeordnete Jürgen Pohl, der auch in Damaskus weilt, sprach vor seiner Abreise mit seinem Kollegen Stephan Brandner. „Ich komm heil wieder“, versprach Pohl. Und was, wenn doch etwas passiert? „Ich hoffe nicht – das wäre natürlich ein großer Verlust“, sagte der AfD-Abgeordnete Hans-Thomas Tillschneider dieser Zeitung. „Ich gehe davon aus, dass die syrischen Sicherheitskräfte für ausreichend Schutz sorgen werden.“ Die Gefahr, die in Syrien lauert, war also schon ein Thema – obwohl die privat finanzierte Reise das Gegenteil zeigen soll: Die AfD behauptet, dass weite Teile von Syrien sicher sind. Und dass Flüchtlinge ohne Bedenken zurückgeschickt werden können. Auf den Widerspruch zwischen der angeblichen Sicherheitslage und der Sorge um die Parteifreunde angesprochen, korrigierte sich Bystron: „Ich habe keine Angst um die.“

          Tatsächlich wird in Sichtweite von Damaskus gekämpft, in den Vororten von Ost-Ghouta. Das Regime führt dort eine Offensive gegen islamistische Milizen. Die Luftwaffe greift gezielt Zivilisten an, Hunderte wurden getötet. Die Aufständischen beschießen Wohnviertel in Damaskus mit Granaten. Dorthin aber wollten die AfD-Politiker nicht reisen. Der rechtsradikalen Zeitschrift „Compact“ sagten sie vor ihrer Abreise, die vom Regime kontrollierten Städte Damaskus, Homs und Aleppo seien die Stationen der Reise.

          Wortwahl ähnlich der syrischen Staatsmedien

          Am Dienstag zum Beispiel besichtigten sie den großen Markt in Damaskus. Fünf kopftuchlose Frauen fotografierte Blex und Dutzende kopftuchlose Schaufensterpuppen. Auch sonst haben die AfD-Politiker einen ungewöhnlichen Fokus. Die Verbrechen syrischer Rebellen verurteilten sie in ihrem „Compact“-Interview scharf – die des Assad-Regimes hingegen nicht. In ihrer Wortwahl ähneln sie damit den syrischen Staatsmedien: Dort das Regime als Garant der Ordnung, hier vom Westen unterstützte Terroristen. Am Montag traf die AfD-Delegation den Regime-treuen syrischen Großmufti Ahmad Badreddin Hassoun. Laut der amtlichen syrischen Nachrichtenagentur Sana rief er die AfD-Politiker auf, dem Westen endlich die Wahrheit über Syrien zu berichten. Zu dieser Wahrheit würde freilich auch eine Ansprache Hassouns aus dem Jahr 2011 gehören, in dem er dem Westen mit Terroranschlägen drohte. „Wenn die erste Bombe in Syrien einschlägt, sind alle Töchter Syriens und des Libanon bereit, Selbstmordattentäter auf dem Boden Europas oder Palästinas zu werden“, sagte Hassoun damals mit erhobenem Zeigefinger. 2004 hatte er die Dschihadisten im irakischen Falludscha für ihre Angriffe auf die amerikanischen Besatzer gepriesen. Laut einem Bericht der Menschenrechtsorganisation Amnesty International war er zudem in die Exekution von Häftlingen in dem als brutalen Folterkeller berüchtigten Sednaya-Gefängnis verwickelt.

          Der AfD-Abgeordnete Blex ließ sich händeschüttelnd mit Hassoun – „seiner Exzellenz“ (Blex) – vor einem goldgerahmten Assad-Porträt fotografieren. Auch unter AfD-Politikern in Deutschland ist die Distanz zum Assad-Regime nicht allzu groß. „Ich habe meine Solidarität mit Baschar al Assad erklärt und bin natürlich sehr glücklich darüber, dass er das Heft des Handelns wieder in der Hand hält“, sagte Tillschneider dieser Zeitung. Und der Giftgaseinsatz durch das Regime? „Das ist doch Blödsinn“, sagte Tillschneider

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