Leserdebatte : „Die AfD ist eine klar rechtspopulistische Partei“
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Populisten unter sich: Der Chef der österreichischen FPÖ, Heinz-Christian Strache, und die AfD-Vorsitzende Frauke Petry auf der Zugspitze im Juni – ausgerechnet in Bayern. Bild: dpa
Wenn die AfD „rechtspopulistisch“ ist – sollte man die Linkspartei dann nicht „linkspopulistisch“ nennen? Einige Leser von FAZ.NET plädieren für die begriffliche Gleichbehandlung der beiden Parteien. Nur: Stimmt das inhaltlich? Wir haben bei einem Wissenschaftler nachgefragt.
„Populist“ – das ist ein Begriff, der leicht über die Lippen geht, aber erklärungsbedürftig ist. Wer oder was ist denn nun ein Rechtspopulist? Sind die AfD-Politiker Frauke Petry, Alexander Gauland und Björn Höcke lupenreine Rechtspopulisten? Ist die AfD etwa, die 2013 gegründet wurde und sich seitdem sowohl personell als auch in ihren programmatischen Schwerpunkten gewandelt hat, heute in ihrer Gänze eine rechtspopulistische Partei? Und wie sieht es mit der Linkspartei aus: Sind Sahra Wagenknecht, Dietmar Bartsch und Bodo Ramelow Linkspopulisten?
Einige Leser bei FAZ.NET haben die kritische Frage gestellt, warum wir und viele andere Medien der AfD mitunter das Etikett „rechtspopulistisch“ ankleben, die Linkspartei jedoch nicht in gleicher Weise als populistisch bezeichnen und ohne Adjektiv davonkommen lassen. Sie sehen darin ein Missverhältnis in der Berichterstattung, eine Ungleichbehandlung, ja gar eine unlautere Parteinahme zu Ungunsten der AfD.
So einfach ist es aber nicht: „Rechtspopulistisch“ ist kein Begriff aus dem luftleeren Raum, keine „einfach so“ dahingesagte Parteinahme, sondern fußt auf Kriterien, die mittlerweile in der Politikwissenschaft einigermaßen unumstritten sind: So sind Abgrenzung zu anderen und ein ausgeprägtes Schwarz-Weiß-Denken typisch für Populisten, im Falle der Rechtspopulisten kommt die Ausgrenzung bestimmter Gruppen wie zum Beispiel von Ausländern hinzu– aber auch die Beschwörung von Krise und Niedergang.
Ist es also richtig, die AfD als durchweg rechtspopulistisch zu bezeichnen, die Linke und ihre Politiker hingegen ohne ein solches Adjektiv davonkommen zu lassen? Populismusforscher Frank Decker von der Universität Bonn, der sich seit Jahrzehnten mit dem Aufstieg der Populisten im europäischen Ausland, aber auch in Deutschland beschäftigt, hat da eine eindeutige Meinung im Interview mit FAZ.NET.
Wer oder was ist ein Populist?
Populistisch ist nicht gleich populär. Nicht jeder, der wie Horst Seehofer mal guckt, wie Volkes Stimme ist, ist gleich ein Populist. Das zentrale Merkmal des Populisten ist die Anti-Establishment-Orientierung. Populisten opponieren gegen die gesellschaftlichen und politischen Eliten und reklamieren für sich, für das einfache Volk einzutreten. Hier das böse Establishment, das sich vergeht an den Interessen des Volkes, und dort das reine Volk, das in seinem Willen gut ist. Die Populisten negieren die Vielfalt der Meinungen und Interessen und unterstellen einen einheitlichen Volkswillen, und dann ist es folgerichtig, wenn das von einer Person vertreten wird – also, das Prinzip der charismatischen Führerschaft wird häufig in der Wissenschaft als weiteres Kriterium genannt, was ich jedoch nicht überbewerten würde. Gerade die AfD widerlegt das ja: Weder früher Bernd Lucke noch Frauke Petry würde ich als charismatische Führungsfiguren beschreiben.
Dennoch bezeichnen Sie die AfD als klar rechtspopulistisch?
Ja. Wobei: 2013, als die Partei entstanden ist, galt das noch nicht. Die AfD war damals eine liberal-konservative Partei, allerdings mit Teilen, die die Partei in eine rechtspopulistische Richtung trimmen wollten. Das hat funktioniert. Die AfD ist dann spätestens mit der Abspaltung des Lucke-Flügels eine klare rechtspopulistische Partei geworden.
Bewerten Sie dabei eher das Parteiprogramm oder die öffentlichen Statements von Funktionären wie Alexander Gauland, Beatrix von Storch oder Björn Höcke?
Alles fließt da mit ein. Das ist ganz wichtig, dass man sich nicht auf das offizielle Programm beschränkt. Denn das Grundsatzprogramm der AfD kann man nicht als Hardcore-Rechtspopulismus bezeichnen. Die Äußerungen einiger Persönlichkeiten in der Öffentlichkeit und vor allem im Wahlkampf sprechen da eine andere Sprache, vor allem in Ostdeutschland. Dokumente kann man natürlich besser auswerten, aber solche Auftritte sind sehr wichtig, weil sie letztlich zur Wählerunterstützung führen. Welcher Wähler liest denn ein Programm?