Landtag in Baden-Württemberg : AfD-Fraktion votiert überraschend für Mäßigung
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Der neue Vorsitzende der AfD-Fraktion am Dienstag im baden-württembergischen Landtag Bild: dpa
Die AfD-Fraktion im Südwesten macht einen Vertreter der jüngeren Generation zum Vorsitzenden. Anton Baron gilt als gemäßigt – anders als sein Widersacher, dessen Wahl für eine weitere Radikalisierung gestanden hätte.
Zur Überraschung vieler Beobachter sowie zahlreicher AfD-Mitglieder hat die baden-württembergische Landtagsfraktion den 35 Jahre alten Anton Baron zum neuen Fraktionsvorsitzenden gewählt. Seit der Rücktrittsankündigung des bisherigen Amtsinhabers Bernd Gögel war mit der Wahl Emil Sänzes gerechnet worden.
Sänze ist 72* Jahre alt, parlamentarischer Geschäftsführer sowie seit Juli 2022 einer von zwei AfD-Landesvorsitzenden. Die Wahl Sänzes hätte wohl zu einer weiteren Radikalisierung der AfD im Südwesten geführt. Der ehemalige Mitarbeiter der BMW-Leasingbank gilt als Vertreter der aufgelösten Gruppierung „Der Flügel“.
Baron hingegen gilt als gemäßigt; er gehörte früher zu den Vertrauten des ehemaligen Fraktionsvorsitzenden Jörg Meuthen. Im Streit über einen antisemitischen Abgeordneten hatte sich Baron distanziert und war damals der von Meuthen geführten ABW-Fraktion beigetreten. Sänze hingegen lud den thüringischen AfD-Fraktionsvorsitzenden Björn Höcke nach Stuttgart ein und sprach der türkischstämmigen Parlamentspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) das Recht ab, über die NS-Diktatur kritisch zu reden. Ein Sprecher der AfD-Landtagsfraktion teilte mit, Baron habe sich „in mehreren Stichwahlen“ gegen Sänze durchsetzen können. In der AfD wird Barons Wahl als „Aufstand der jungen Abgeordneten“ interpretiert. Offenbar schlossen sich die jüngeren Abgeordneten zur Verhinderung Sänzes zusammen.
Bislang keine rechtsradikalen Aussagen
Baron wurde 1987 in Taras in Kasachstan* geboren. Er stammt aus einer russlanddeutschen Familie, studierte Wirtschaftsingenieurwesen und machte eine Ausbildung zum Verfahrensmechaniker. Seit 2016 vertritt er den Wahlkreis Hohenlohe über ein Zweitmandat im Landtag. Innerhalb des Landesverbands gilt er als mittelmäßiger Redner; mit rechtsradikalen Aussagen fiel er bislang nicht auf.
Die Wahl Barons wird innerhalb der AfD als Stärkung der Fraktionsvorsitzenden im Bundestag, Alice Weidel, und als Schwächung des radikalen Flügels um den Bundestagsabgeordneten Dirk Spaniel gewertet, der viele Mitglieder des aufgelösten und vormals vom Verfassungsschutz beobachteten „Flügels“ sowie Funktionäre der Gruppierung „Zentrum Automobil“ hinter sich versammelt haben soll.
Etwa 60 Prozent der AfD-Kreisverbände werden dem radikalen und tendenziell rechtsextremistischen Teil der Partei zugerechnet; Baron dürfte im Landesverband keine Mehrheit haben. Der Politiker sagte dem Südwestrundfunk, er „stehe in der Mitte der AfD“. Viele Kommentare an der Parteibasis zu Barons Wahl fielen kritisch aus. „Die baden-württembergische AfD-Landtagsfraktion führt einen Angriffskrieg gegen die eigene Partei“, hieß es auf Twitter.
Die Neuwahl des Fraktionsvorsitzenden war notwendig geworden, nachdem Gögel das Amt wegen Ermittlungen gegen ihn niedergelegt hatte. Dem ehemaligen Inhaber einer Spedition wirft die Staatsanwaltschaft Karlsruhe vor, an seine Mitarbeiter gezahlte Gehälter seien nicht korrekt versteuert worden.
* In einer früheren Version waren das Alter Sänzes und der Geburtsort Barons falsch angegeben. Beides haben wir korrigiert.