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Ausstellung 60 Jahre Mauerbau : Und wenn die Mauer plötzlich wieder da wäre?

Der Berliner Fotograf Alexander Kupsch hat Fotos von Grenzanlagen, die die Führung der DDR machen ließ, mit aktuellen Drohnen-Aufnahmen aus Berlin überblendet und collagiert. Auf diesem Bild ist der Reichstag zu sehen, heute ein Magnet für Touristen in Berlin. Sie ruhen sich auf der Wiese vor dem Gebäude aus und besichtigen sein Inneres samt der Glaskuppel. Doch lange stand der heutige Sitz des Bundestags im Schatten der Mauer. Bild: bpk/Alexander Kupsch

Wie wäre es, wenn die Mauer auf einmal wieder stünde? Der Fotograf Alexander Kupsch hat Fotos alter Grenzanlagen mit aktuellen Drohnen-Aufnahmen aus Berlin collagiert. Entstanden sind Bilder, die einen fast vergessenen Schmerz in die Gegenwart holen.

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          Vor 60 Jahren, am 13. August 1961, lässt die DDR-Führung die Sektorengrenze schließen. Es ist die Nacht zum Sonntag, die Berliner sind, so hofft man, mit dem Wochenende beschäftigt. Mehr als 10.000 Volks- und Grenzpolizisten reißen Pflaster und Asphalt auf, errichten Barrikaden und ziehen Stacheldraht durch die Stadt. Die Sektorenübergänge werden abgeriegelt, zahlreiche S- und U-Bahnhöfe geschlossen. 7000 Soldaten sollen ein Durchbrechen in den Westen verhindern, auch die sowjetischen Truppen sind in Bereitschaft.

          Markus Wehner
          Politischer Korrespondent in Berlin.

          Die entsetzten Bewohner Ost-Berlins werden von Volkspolizisten mit Maschinengewehren an jeglichem aktiven Protest oder Widerstand gehindert. Auch die Bürger im Westteil sind aufgebracht, die dortige Polizei verhindert, dass sie den Grenzanlagen zu nahe kommt. Dennoch flüchten viele Ost-Berliner in den folgenden Tagen über den Stacheldraht. Am 14. August wird das Brandenburger Tor als Sektorenübergang geschlossen, drei Tage später beginnen Bautrupps den Stacheldraht durch eine Mauer aus Hohlblocksteinen zu ersetzen.

          So reagiert die SED-Führung auf die Massenflucht der Bürger aus dem Arbeiter- und Bauernstaat vom Herbst 1949. Bis zum August 1961 hatten 2,8 Millionen Menschen die DDR verlassen. Pläne für eine Mauer hegte die SED-Führung unter Walter Ulbricht schon seit 1958. Doch der sowjetische Führer Nikita Chruschtschow war bis zum Sommer 1961 dagegen – bis er seine Meinung änderte. Die  Mauer, 155 Kilometer lang, teilt die Stadt Berlin, trennt die Menschen voneinander.

          Der Grenzübergang an der Bornholmer Strasse war der erste, der am 9. November 1989 eine halbe Stunde vor Mitternacht die Passkontrollen einstellte, so dass Tausende Bewohner Ost-Berlins in den Westteil der Stadt fahren und gehen konnten. Oberstleutnant Harald Jäger von den Passkontrolleinheiten der DDR entschied das eigenmächtig, nachdem er keine klaren Anweisungen erhalten hatte und immer mehr Menschen am Grenzübergang auf Ausreise drängten. Politbüro-Mitglied Günter Schabowski hatte zuvor auf der Pressekonferenz erklärt, die Reisefreiheit gelte für alle DDR-Bürger „unverzüglich“. Gegen Mitternacht erhielten die übrigen sechs Grenzübergänge dann die Anweisung, ebenfalls die Menschen durchzulassen. Heute fährt wieder die Straßenbahn über die Bösebrücke, die Prenzlauer Berg (ehemals Ost) und Wedding (ehemals West) verbindet. Bilderstrecke
          Ausstellung 60 Jahre Mauer : Wenn die Mauer wieder da wäre

          Die Grenzbefestigungen werden immer weiter ausgebaut, ein Grenzstreifen angelegt, Häuser und Kirchen abgerissen und gesprengt. Mitte der siebziger Jahre wird eine neue Mauer aus Beton-Stützwandelementen errichtet, sie ist mehr als drei Meter hoch und 1,20 Meter breit. Eine Hinterlandmauer wird errichtet, Minen und Selbstschussanlagen machen es fast unmöglich, die Grenze zu überwinden. Viele, die die Flucht versuchen, bezahlen dafür mit ihrem Leben.

          Die Mauer stand 28 Jahre lang – doch mittlerweile sind es schon vier Jahre mehr, dass es sie nicht mehr gibt. Nur noch wenig erinnert heute an diese grausame Teilung und das erschreckende Symbol des Kalten Krieges. Wie wäre es, wenn die Mauer auf einmal wieder da wäre? Wie sähe es aus, wenn sie mit ihren Grenzanlagen, ihren 302 Wachtürmen, ihren Todesstreifen Berlin abermals zerschneiden würde? Was würde es bedeuten, wenn plötzlich Stacheldraht, Beton und Todesstreifen das Leben in der pulsierenden Hauptstadt prägen würden?

          Der Berliner Fotograf und Designer Alexander Kupsch hat 2019 die Ausstellung „Die Mauer. Sie steht wieder!“ entwickelt, in der er historische Aufnahmen der Berliner Mauer in aktuelle Fotos montierte. Nun hat er neue Montagen angefertigt. Fotos von Grenzanlagen, die die Führung der DDR machen ließ, wurden dafür mit aktuellen Drohnen-Aufnahmen aus Berlin überblendet und collagiert. So entstanden Bilder, die den Betrachter dazu anregen, sich mit der fast drei Jahrzehnte dauernden Teilung der Stadt und des Landes zu beschäftigen: Weil die Mauer scheinbar wieder existiert.

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