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Im Gespräch: Franco Frattini : „Italien ist gar nicht Teil des Euro-Problems“

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 Italiens Außenminister Franco Frattini: „Wenn wir den EU-Vertrag ändern wollen, öffnen wir die Büchse der Pandora. Wollen wir uns in der Krise Referenden vorstellen?“

Italiens Außenminister Franco Frattini: „Wenn wir den EU-Vertrag ändern wollen, öffnen wir die Büchse der Pandora. Wollen wir uns in der Krise Referenden vorstellen?“ Bild: AFP

Außenminister Franco Frattini über heilsamen Druck aus Brüssel, Sarkozys irritierende Körpersprache, Merkels mutige Führung, Camerons berechtigte Angst vor einer Spaltung Europas - und warum die Währungsunion kein Omnibus ist.

          7 Min.

          Herr Minister, erst in letzter Minute vor dem EU-Gipfel hat die Regierung Berlusconi eine Teileinigung über Wirtschaftsreformen erzielt. Sind Sie dankbar für den Druck aus dem Rest Europas?

          Sehr sogar. Wenn Europa politischen Druck ausübt, folgen die Staaten dem ja nicht Brüssel zuliebe. Wir reformieren Italien, weil es in unserem Interesse liegt - auch wenn es für ganz Europa wichtig ist, dass wir unsere Staatsfinanzen konsolidieren und Wachstum fördern. In Zeiten heftiger innenpolitischer Auseinandersetzungen ist Druck aus Brüssel für die Regierung jedes Landes hilfreich. Jetzt können wir endlich tun, was wir schon vor der Wahl versprochen haben. Die Reformen hätten wir schon vor zwei Jahren beschließen sollen!

          Und warum haben Sie das nicht?

          Wegen überkreuzender Vetos in der Regierungskoalition und wegen des Widerstands der Opposition, die das Parlament mit Dauerreden lahmgelegt hat. Und dann hat sich die Gruppe um Gianfranco Fini von uns abgespalten. Seitdem haben wir nur noch 20 bis 25 Abgeordnete mehr als die Opposition. Vorher waren es 80!

          Fini will zurückkehren, wenn Berlusconi zurückträte. Braucht ein Land, das ohne äußeren Druck nicht funktioniert, nicht eine neue Führung?

          Viele Regierungen Europas haben in einer Parlamentskammer gar keine Mehrheit mehr. Ich beneide Deutschland darum, dass es trotzdem regierbar ist, hier ginge das nicht. Aber das Schlimmste wäre, jetzt zu Neuwahlen zu hasten. Das würde die Tür für Spekulation und die Aggressionen jener Netze öffnen, die auf den Finanzmärkten gegen Italien vorgehen.

          Frattini mit Ministerpräsident Silvio Berlusconi: „Das Schlimmste wäre, jetzt zu Neuwahlen zu hasten“
          Frattini mit Ministerpräsident Silvio Berlusconi: „Das Schlimmste wäre, jetzt zu Neuwahlen zu hasten“ : Bild: Reuters

          Lieber also eine alte Regierungskoalition unter neuer Führung?

          Das wäre extrem schwierig in einem Land, in dem die Wähler nicht nur eine Partei, sondern ihren Ministerpräsidenten wählen. Da hielte ich sogar Neuwahlen für wahrscheinlicher.

          Einfach weitermachen bedeutet, dass die Lega Nord weitere Reformen verhindert?

          Im Gegenteil, die Lega hat doch dem Brief zugestimmt, den wir nach Brüssel geschickt haben. Sie will jetzt die Versorgungsdienstleistungen und die Berufsstände liberalisieren sowie das Renteneintrittsalter auf 67 Jahre erhöhen.

          Wird das nicht durch das Frühverrentungssystem unterlaufen?

          Wer vierzig Jahre lang Beiträge gezahlt hat, der hat auch künftig ein Recht auf seine Rente, wenn er mindestens sechzig Jahre alt ist. Das kommt aber nicht oft vor.

          Vor dem Brief hatten Bundeskanzlerin Merkel und Präsident Sarkozy am Sonntag in Brüssel nur Grimassen geschnitten, als sie nach Italiens Zusagen gefragt wurden. Fühlten Sie sich gedemütigt?

          Nein, überhaupt nicht. Ich war jahrelang Vizepräsident der Europäischen Kommission, ich weiß besser als die meisten, wie wichtig europäischer Druck ist. Allerdings hat mich die Körpersprache Präsident Sarkozys irritiert - auch der Kanzlerin war das offenkundig peinlich. Sarkozy hat eben daheim ein Problem, weil im Direktorium der Europäischen Zentralbank jetzt kein Platz für einen Franzosen ist...

          ...weil der Italiener Bini Smaghi nicht zurücktritt, obwohl sein Landsmann Mario Draghi anstelle des Franzosen Trichet Präsident der Zentralbank wird.

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