Frankfurter Zeitung 03.02.1918 : „In dieser Situation ist ein Streik Verrat am Vaterlande“
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Der Januarstreik in Berlin. Metallarbeiter folgten der Spartakusgruppe und revolutionären Obleuten in den Streik. Bild: Picture-Alliance
In deutschen Großstädten streiken die Arbeiter. Ein Aufruf des christlichen Metallarbeiterverbandes appelliert an das Gewissen der Aufständischen.
Duisburg, 2. Febr. (W.B.) Der Vorstand des christlichen Metallarbeiterverbandes Deutschlands erließ folgenden Aufruf an seine Mitglieder:
Revolutionäre Elemente versuchen durch Flugblätter und Agitation von Mund zu Mund die Arbeiter zu verhetzen und für politische Bestrebungen durch Arbeitsniederlegung zu veranlassen.
Leider sind in Berlin und in anderen Großstädten die Arbeiter gefolgt und in den Streik eingetreten. Mit Befriedigung kann jedoch festgestellt werden, daß im Verhältnis zu der Gesamtzahl der Arbeiter im Reiche nur ein kleiner Bruchteil pflichtvergessen die Arbeit niederlegte. Durch frivole Streiks wird der Krieg nicht abgekürzt, wie dies die Hetzer angeben, sondern verlängert und dem Feinde in die Hände gearbeitet. Unsere Gegner werden durch Streiks zum Weiterkampfe angespornt. Unsere Feinde lauern schon lange darauf, daß Deutschland durch innere Unruhen und Streiks in seiner Kampfbereitschaft geschwächt wird und ihre Beute werde.
Mögen sich die deutschen Arbeiter keiner Täuschung hingeben: In solcher Lage würden sie die schlimmsten Folgen zu tragen haben. Auch die Interessen der Arbeiter werden durch die Streiks nicht gefördert, sondern auf das schlimmste geschädigt. Aufhebung der Versammlungsfreiheit, Militarisierung der Betriebe usw werden die Folge sein. Auch die Versorgung mit Lebensmitteln wird durch die Streiks nicht gebessert, sondern verschlechtert. Unser Vaterland ist von allen Seiten bedroht. In dieser Situation ist ein Streik Verrat am Vaterlande, an uns und unseren Söhnen und Brüdern an der Front. Wir sind es ihnen schuldig, daß wir sie nicht im Stiche lassen und alle unsere Kräfte in den Dienst der Produktion stellen, damit sie nicht wehrlos dem Feinde gegenüberstehen. Mitarbeiter! Kollegen und Kolleginnen! Wir fordern Euch hiermit auf, nicht bloß jetzt, sondern auch später, wenn von genannter Seite Putschs und Streiks versucht werden sollten, diesen mit aller Energie mannhaft entgegenzutreten. Tut wie seither so auch in Zukunft Eure Pflicht. Dann werdet Ihr am besten Euren Interessen dienen. Der Vorstand.
I.A.: Wiebert, Verbandsvorsitzender.
Die nächste Ausgabe des historischen E-Papers erscheint am 8. Februar 2018.