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Universitätsklinik Heidelberg : Klinikdirektor fordert Rücktritt des Vorstandes

Die Zuverlässigkeit der Bluttest wurde bisher nicht nachgewiesen (Symbolbild) Bild: dpa

An der Universitätsklinik Heidelberg hat ein Klinikdirektor den Rücktritt des Klinikvorstands gefordert. Der Vorstand hatte in eine Vermarktungskampagne eines umstrittenen Bluttests zur Krebsfrüherkennung mit der Zeitung „Bild“ eingewilligt.

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          In der Affäre um den nicht marktfähigen Bluttest zur Brustkrebsfrüherkennung an der Universitätsklinik Heidelberg gibt es nun erstmals Forderungen nach personellen Konsequenzen. Nach Informationen von FAZ.NET fordert ein Klinikdirektor des ältesten deutschen Universitätsklinikums mit Billigung einiger Kollegen nun den Rücktritt des für den Skandal verantwortlichen Klinikvorstands.

          Rüdiger Soldt
          Politischer Korrespondent in Baden-Württemberg.

          In einer Mail der Klinikdirektoren an die Geschäftsführerin der Klinik, Irmtraut Gürkan, sowie die Leitende Ärztliche Direktorin, Annette Grüters-Kieslich, heißt es: „Sie können weiteren substantiellen Schaden von uns allen, der Fakultät und dem Klinikum abwenden, wenn Sie im Sinne eines Rücktritts die Verantwortung übernehmen, die Ihnen mit Ihren Positionen anvertraut wurden.“ 

          Die Klinikleitung hatte im Februar in eine Vermarktungskampagne des Bluttests mit der Zeitung „Bild“ eingewilligt und sich außerdem darüber hinweggesetzt, dass die Zuverlässigkeit und Treffsicherheit des Tests bislang weder durch eine abgeschlossene Studie nachgewiesen noch durch eine Publikation in einem renommierten Fachjournal abgesichert ist. In der Mail der Klinikdirektoren heißt es weiter: „Dass diesem sogenannten Test jede wissenschaftliche Grundlage fehlt, ist unstrittig. Daher war die Zustimmung zu seiner Veröffentlichung ein grober administrativer und akademischer Fehler, der die Dimension der Fahrlässigkeit deutlich übertrifft.“

          Die CDU-Fraktion im baden-württembergischen Landtag bereitet unterdessen eine zweite parlamentarische Anfrage an das für das Klinikum zuständige Wissenschaftsministerium vor. Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) befindet sich derzeit auf einer Delegationsreise im Nordirak, deshalb dürfte es vor den Osterfeiertagen keine weiteren politischen Entscheidungen mehr geben. In der parlamentarischen Anfrage geht es auch um die Frage, wieso die Leitung der Universitätsklinik und die Verantwortlichen einer für den Wissenstransfers zuständigen Gesellschaft es akzeptierten, dass sich der vorbestrafte Immobilienmanager Jürgen Harder finanziell an der Firma Heiscreen beteiligte. Die ausgegründete Firma Heiscreen sollte die Vermarktung des Tests vorbereiten. Auch die Klinikdirektoren verlangen Aufklärung über die vertraglichen Grundlagen, mit denen die Firma Heiscreen operiert hat.

          Die „Reputation des Universitätsklinikums“, heißt es in der internen Mail, sei schon jetzt „substantiell beschädigt“. Der Aufsichtsrat der Universitätsklinik hat zu Aufklärung des Skandals eine Kommission eingesetzt, die von dem Präsidenten der Leibniz-Gesellschaft, Matthias Kleiner, sowie der früheren Bundesverfassungsrichterin, Christine Hohmann-Dennhardt, geleitet wird.  

          Am Mittwoch fand in der Universitätsklinik eine Klinikumskonferenz statt, mittlerweile sprechen sich zahlreiche Klinikdirektoren für den Verbleib des Vorstands aus. Zum Beispiel schreibt der Direktor für die Innere Medizin, Peter Nawroth, in einer Mail: „Diese Form des Destabilisierung hat weder der Klinikum-Vorstand, noch die Fakultät, schon gar nicht die Mehrheit von uns verdient.“ Wer immer Informationen an die Medien weiter gegeben habe, so der Mediziner, habe allen geschadet. „Wir wollen helfen, dass unser Klinikum das Beste in Europa sein soll, was wir nicht sind, dass die Fakultät die Beste werden soll, was sie nicht ist. Wenn wir uns zerfleischen, fallen wir zurück“, schreibt Nawroth in einer Mail an mehr als 90 Kollegen, die FAZ.NET vorliegt. Die Verantwortung für das PR-Desaster bei der Veröffentlichung des unfertigen Bluttests dürfte sich ohnehin nicht so einfach nur auf den Vorstand der Klinik abwälzen lassen.

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