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AfD im Höhenflug : Am Ende des Regenbogens

Die AfD hat es geschafft, den leeren Platz rechts der politischen Mitte zu besetzen. Bild: Reuters

Wie umgehen mit der AfD? Kräftige Hiebe sollen sie wieder klein machen. Doch je kräftiger der Hieb, desto stärker geht er daneben. Das liegt an einem gestörten Gleichgewicht der Kräfte. Ein Kommentar.

          3 Min.

          So hatten sich die Parteien das Einwanderungsland nicht vorgestellt. Alles sollte schön bunt und vielfältiger werden. Nun wird es zwar bunter und vielfältiger, und zwar schneller als gedacht, aber nicht nur um die schönen Farben und Facetten, die man sich gewünscht hatte. Vor allem eines sollte es in Deutschland ganz und gar nicht geben: die hässlichen Rechtspopulisten. Die gibt es zwar schon seit langem in allen Gesellschaften, die es mit massenweiser Einwanderung zu tun haben; nur in Deutschland tun alle Parteien aber noch so, als hätten sie den Weg gefunden, deren Aufstieg zu verhindern. Das wirkt ein wenig so wie der Kinderglaube, die Stelle finden zu können, wo der Regenbogen die Erde berührt.

          Jasper von Altenbockum
          Verantwortlicher Redakteur für Innenpolitik.

          Die Landtagswahlen in drei Ländern werden zeigen, dass sich die Parteien getäuscht haben. Das wird sie nicht daran hindern, das übliche Spiel fortzusetzen: Der Erfolg der AfD liege daran, so werden die einen sagen, dass die anderen der neuen Partei „hinterherlaufen“; die anderen werden sagen, der Aufstieg liege daran, dass nicht getan werde, was nötig sei. Die AfD kann sich dann wahlweise aussuchen, was sie tut, um Keile zu treiben. Schon jetzt muss es für sie ein Vergnügen sein, banale Forderungen aufzustellen, die alle anderen reflexartig ablehnen müssen. Sie soll damit ausgegrenzt werden, obgleich doch im Wahlvolk sichtlich das Gegenteil geschieht – die AfD wird stärker, zumal im Osten, und nicht etwa ständig „entlarvt“ und dadurch schwächer.

          Das liegt an einem Ungleichgewicht der Kräfte. Die alte Bundesrepublik lebte, je älter sie wurde, in der Gewissheit, dass sich „rechts“ aus historischen Gründen eine akzeptable Partei nicht bilden könne. CDU, CSU und FDP waren für die Konservativen da, sofern sie sich überhaupt noch so nennen wollten. Das ging schließlich so weit, dass „rechts“ gesagt wird, wo rechtsradikal gemeint ist. Die Folge: Zwischen Mitte und rechtsradikal gab es scheinbar nichts mehr.

          Inhaltlich lief das darauf hinaus, dass nennenswerte Gegenwehr gegen den „Fortschritt“ ausblieb. Der Kampagnenfähigkeit der Linken hatten Konservative nichts entgegenzusetzen. Die Liste der Themen, die davon betroffen waren, wurde gezwungenermaßen lang und länger: Europa, Energie, Verteidigung und so gut wie jedes Feld der Gesellschaftspolitik – von Abtreibung über Familie, Erziehung, Bildung, Genderpolitik und Homo-Ehe.

          Doch der Platz zwischen Mitte und rechtsradikal ist nie und nirgends einfach verschwunden. Er war nur leer, von Thema zu Thema sogar gähnend leer, so leer, dass selbst die liberalen Parteigründer der AfD zu Rechtsradikalen gestempelt wurden. Nun kommt aber seit Jahren als Großthema die Einwanderung noch hinzu. Weil es dabei ums Ganze geht, um „Deutschland“ und um „Leitkultur“, spiegeln sich darin alle anderen Themen wider. Rechtspopulisten füllen in dieser Spiegelung die Leere eines gestörten Gleichgewichts. Das kann man füglich und ausgiebig bedauern, ist aber nicht damit zu bekämpfen, dass die Petrys, Meuthens und Storchs mit den ollen Kamellen bundesrepublikanischer oder realsozialistischer Tradition beworfen werden, nur weil sie auf die Höckes passen: rechtsradikal, rassistisch, völkisch, extremistisch. Das mag im Einzelfall passen, begreift aber nicht das Phänomen. Je kräftiger der Hieb, desto stärker daneben.

          Nichts müssen Populisten so fürchten wie Problemlösung

          Verharmlost wurde die AfD, schon bevor sie entstanden war. Sie ist Produkt einer Verachtung, die sich aus dem Vorwurf speist, Staat, Parteien und Politik hätten sich von der Wirklichkeit entfernt. Gemeint ist die Wirklichkeit, deren ideologische Pflege sich in jenem Segment abspielt, das dem Ungleichgewicht politischer Kräfte zum Opfer gefallen war. Befördert wurde das Bedürfnis nach Rekultivierung dieser „rechten“ Sphäre nicht nur durch den Linksruck ihrer parteipolitischen Pflegeheime. Hinzu kommen Leitmotive, die in keinem Fernsehspiel, in keinem „Tatort“ fehlen dürfen, dass nämlich Politik den Charakter verderbe, ein Politiker nur korrupt und karrieregeil sein könne und dass der Staat ein Störfaktor, ein Versager und Rechtsbrecher sei. Solche Klischees nahmen „Pegida“ vorweg, salonfähig gemacht in vielen Fällen ausgerechnet von jenen, die einen „Rechtsruck“ geißeln, die aber dessen Quell, den Elitenhass und das Wutbürgertum, selbst gehegt und gepflegt haben.

          Der Aufstieg der AfD hat zwei gravierende Folgen. Es ist nun nicht mehr so leicht möglich, Politik in eine Richtung zu treiben, besser gesagt: in keine Richtung. Nichts müssen Populisten so fürchten wie ihre Wirklichkeit, in der andere die Probleme lösen. Sie mögen als reaktionär bezeichnet werden, allein ihr Gewicht aber führt dazu, dass wieder über Dinge gestritten wird, die als „erledigt“ galten. Das erste Opfer dieser neuen, polarisierenden Vielfalt könnte unter den Vorzeichen der großen Koalition die SPD sein, die an Demobilisierung, Abwanderung und Auszehrung leidet wie keine andere Partei. Aber auch die CDU hat eine Konkurrenz zu fürchten, die bei ungünstiger Wetterlage für sie so desaströs wirkt wie in Baden-Württemberg.

          Die zweite Folge betrifft die Konservativen selbst, die schon gar nicht mehr wagten, sich konservativ zu nennen. Sie sind nun gezwungen, sich abzugrenzen gegen Populisten, die ihnen den Platz streitig machen.

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