Hambacher Forst : Räumung gestoppt nach tödlichem Sturz
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Notarzteinsatz am Unfallort im Hambacher Forst Bild: dpa
Nach einem schweren Unfall im Wald setzt die Polizei die Räumung der Baumhäuser aus. Ein Journalist war in die Tiefe gestürzt – offenbar unabhängig von den Maßnahmen.
Nach dem Tod eines Journalisten während der umstrittenen Räumungsaktion im Hambacher Forst wollen Polizisten Gefahrenquellen in dem Areal absichern. „Wir werden in dem Bereich bestimmte Gefahrenstellen absichern, damit es nicht zu Stürzen kommt“, sagte eine Sprecherin der Aachener Polizei. Es seien deshalb an diesem Donnerstag wieder Beamte in dem Wald unterwegs. Die vor einer Woche mit einem Großaufgebot gestartete Räumung der Baumhäuser im Hambacher Forst wird die Polizei eigenen Angaben zufolge aber nicht fortsetzen.
Die NRW-Landesregierung hatte nach dem Tod des Journalisten in dem Wald am Mittwoch die Räumung bis auf weiteres ausgesetzt. „Wir können nicht einfach zur Tagesordnung übergehen“, sagte Innenminister Herbert Reul (CDU) am Abend. „Ich habe eine Riesenbitte an alle Menschen, die irgendwie mit dem Wald, dem Gelände, den Häusern, den Bäumen zu tun haben: Dass sie bitte die Gefahr, die davon ausgeht, einfach jetzt zur Kenntnis nehmen und möglichst nicht im Wald rumlaufen und nicht auf den Bäumen rumklettern und nicht in die Häuser gehen.“ Die Menschen sollten Ruhe bewahren und das Gelände meiden. Erst dann könnte man sehen, wie es weitergehen könnte. „Eigentlich müsste so ein Ereignis ja alle nachdenklich machen.“
Journalist kannte Situation vor Ort
Der junge Journalist war durch die Bretter einer Hängebrücke zwischen zwei Baumhäusern gebrochen und 15 Meter tief gestürzt. Rettungskräfte konnten nichts mehr für ihn tun. Die Aachener Polizei sprach von einem tragischen Unglück. Der Journalist habe seit längerem das Leben der Aktivisten in den Baumhäusern dokumentiert. Es habe zum Unglückszeitpunkt keine Polizeimaßnahmen in der Nähe der Unglücksstelle oder am Baumhaus gegeben, erklärte die Polizei. Ein Tatortteam der Polizei Mönchengladbach ermittle die Umstände des tödlichen Sturzes.
Der Energiekonzern RWE teilte über Twitter mit: „Wir sind zutiefst erschüttert und bedauern den tragischen Unfall im Hambacher Forst sehr.“
Unternehmen zieht Geräte ab
Der Arbeitsbühnen-Verleiher Gerken zieht unterdessen nach eigenen Angaben seine Geräte aus dem Hambacher Forst ab. Das Unternehmen sei von dem betreffenden Kunden, bei dem es sich nicht um die Polizei handle, zuvor nicht über den Einsatzzweck informiert worden.
„Da auch wir mit der Vorgehensweise im Hambacher Forst absolut nicht einverstanden waren und sind und wir auch den Einsatz unserer Bühnen dort nicht weiter rechtfertigen können, haben wir heute beschlossen, dass wir unsere Geräte dort stilllegen“, schrieb die Geschäftsleitung am Mittwoch auf der Firmenhomepage. „Wir machen das, obwohl wir es rein rechtlich nicht dürfen, und setzen uns damit hohen Regressansprüchen unseres Kunden aus“, hieß es weiter. Eine Sprecherin der Polizei Aachen bestätigte am Abend, dass die Firma ihre Zusagen am Mittwoch zurückgezogen habe.
500.000 Unterschriften werden übergeben
In Düsseldorf wollen Umweltschützer an diesem Donnerstag mehr als eine halbe Million Unterschriften für den Erhalt des Waldes und ein Ende des Kohleabbaus der Landesregierung übergeben. Sie treffen Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) am Morgen vor dem Landtag.
Die Polizeiaktion, bei der Baumhäuser geräumt und abgerissen werden, hatte am vergangenen Donnerstag mit einem Großaufgebot begonnen. Bis Mittwoch waren laut Polizei 39 von 51 Baumhäusern geräumt.
Umweltschützer protestieren im Hambacher Forst zwischen Köln und Aachen seit Jahren dagegen, dass der Energiekonzern RWE im Herbst weite Teile des Forstes abholzen und die Braunkohleförderung fortsetzen will. In bis zu 25 Metern Höhe hatten sie Baumhäuser errichtet und halten den Wald damit seit sechs Jahren besetzt.
Aus Sicht von RWE ist die Abholzung des Hambacher Forsts unvermeidbar, um die Stromproduktion in den Braunkohlekraftwerken zu sichern. Vor Beginn der Kohleförderung war der Wald 4100 Hektar groß; nach Angaben des Tagebau-Betreibers RWE Power wurden bislang 3900 Hektar für den Kohleabbau gerodet, nun soll noch einmal gut die Hälfte des verbliebenen Waldes abgeholzt werden.
Der Wald hat nach Angaben des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) eine 12.000 Jahre lange Geschichte. Es gibt dort streng geschützte Arten wie Bechsteinfledermaus, Springfrosch und Haselmaus. Der Protest im Hambacher Forst richtet sich auch gegen den Abbau von Braunkohle allgemein.