Guantánamo-Häftlinge : Nicht ohne ausländische Hilfe
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Barack Obama will womöglich schon in der ersten Woche nach seiner Vereidigung als amerikanischer Präsident das Lager Guantánamo schließen: Doch was tun mit den Gefangenen?
Guantánamo soll geschlossen werden. Schon in der ersten Woche nach seiner Vereidigung, womöglich noch am 20. Januar, werde Barack Obama eine präsidiale Verfügung zur geplanten Auflösung des Lagers erlassen, teilten zwei Berater des künftigen Präsidenten mit. Zugleich hat Obama jedoch deutlich gemacht, dass die Schließung Guantánamos eine komplizierte Aufgabe sei, die Zeit brauche. Es sei eine „Herausforderung“, das Lager in den ersten 100 Tagen seiner Amtszeit zu schließen, sagte er am Wochenende vor Journalisten. Denn zunächst muss geklärt werden, was mit den Gefangenen geschehen soll. Neben Fragen nationaler Sicherheit, juristischen und logistischen Problemen sowie humanitären Aspekten spielt Diplomatie eine entscheidende Rolle. Obama benötigt ausländische Hilfe, um das Lager zu schließen. Das wird auch in Berlin und in Brüssel anerkannt. Die Bundesregierung hat jedoch deutlich gemacht, dass zunächst die amerikanische Regierung am Zuge sei. Bevor Deutschland die Aufnahme von Guantánamo-Gefangenen erwäge, sei abzuwarten, welche Entscheidungen die Regierung Obama zum Umgang mit den Häftlingen treffe.
Derzeit befinden sich noch knapp 250 Häftlinge in dem Lager. Einige Dutzend stellen nach den Prüfungen des amerikanischen Militärs keine Gefahr mehr dar. Ihre Entlassung scheiterte jedoch bislang daran, dass den Häftlingen in ihren Heimatländern Verfolgung droht und sich keine anderen aufnahmewilligen Staaten fanden. Auch die Vereinigten Staaten wollen diese Gefangenen nicht ins Land lassen, so war es jedenfalls unter der Regierung Bush. Entschieden abgelehnt wurde dies unter anderem von dem bisherigen und voraussichtlich neuen Verteidigungsminister Robert Gates. Er hatte an den Kongress appelliert, ein Gesetz zu verabschieden, das die humanitäre Aufnahme ehemaliger Guantánamo-Gefangener in den Vereinigten Staten ausschließt.
Selbst wenn es der Regierung Obama gelänge, verbündete Staaten für die Unterbringung mutmaßlich ungefährlicher Gefangener zu gewinnen, müsste noch eine Lösung für Häftlinge wie Khalid Scheich Mohammed und seine Komplizen gefunden werden, die wegen des „11. Septembers“ angeklagt sind. Insgesamt hat die Militärstaatsanwaltschaft knapp 80 Verfahren vor den kontroversen Militärtribunalen in Aussicht gestellt. Ferner befinden sich in dem Lager etwa 100 Häftlinge, denen nach Angaben der Regierung Bush zwar keine Straftaten nachgewiesen werden können, die jedoch zu gefährlich seien, um entlassen zu werden.
Die neue Regierung will zunächst Bestandsaufnahme betreiben. In einem ersten Schritt zur Auflösung des Lagers werde Obama gleich nach seinem Amtsantritt eine regierungsinterne Überprüfung sämtlicher Fälle anordnen, teilten seine Berater mit. So wolle man einen Überblick darüber gewinnen, welche Häftlinge entlassen werden könnten und welche weiter festgehalten werden müssten. Daran schließt sich die heikle Frage an, wo die weiterhin gefährlichen Gefangenen unterzubringen sind. Gegen ihre Verbringung in zwei Militärgefängnisse in den Vereinigten Staaten formiert sich im Kongress entschiedener Widerstand. Ferner ist das weitere juristische Verfahren zu klären. Dazu hat sich Obama bislang nur vage geäußert. In allgemeiner Form sprach er davon, dass die amerikanische Strafgerichtsbarkeit und die traditionelle Militärgerichtsbarkeit ein „Gerüst“ darstellten. Welcher Weg vorzugswürdig ist, darüber sind Guantánamo-Kritiker unterschiedlicher Ansicht. Im linken Lager wird überwiegend für die Anwendung von Strafrecht plädiert. Dieses habe sich für die Verfolgung von Terroristen bewährt, wird unter anderem in einer Studie des „Center for Strategic and International Studies“ argumentiert. Seit den Terroranschlägen von 2001 habe es 145 Verurteilungen in Terrorismusprozessen vor Strafgerichten gegeben, heißt es darin.