Giffey regiert nun in Berlin : Zwei Überraschungen und ein Novum
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Franziska Giffey am Dienstag im Roten Haus Bild: AFP
Franziska Giffey ist als erste Frau Regierende Bürgermeisterin der Hauptstadt. Von Enteignungen hält sie nichts. Das lässt sie die Linkspartei auch mit einer Personalie spüren.
Franziska Giffey ist neue Regierende Bürgermeisterin von Berlin. Die SPD-Politikerin und ehemalige Bundesfamilienministerin ist damit die erste Frau in diesem Amt. Die selbstbewusste Frau mit der dünnen Stimme folgt auf den eher glücklosen Sozialdemokraten Michael Müller, der als Abgeordneter in den Bundestag gewechselt ist.
Giffey führt, anders als sie es selbst geplant hatte, eine Koalition aus SPD, Grünen und Linken – die drei Parteien stellen schon seit 2016 den Senat. Am Dienstagvormittag unterzeichneten die Vertreter der Parteien den Koalitionsvertrag im Wilhelm-von-Humboldt-Saal in der Staatsbibliothek Unter den Linden, danach folgte die Wahl Giffeys im Abgeordnetenhaus. Für die 43 Jahre alte Politikerin stimmten 84 Abgeordnete, 52 votierten mit Nein, zwei enthielten sich, eine Stimme war ungültig. Anwesend waren 139 von 147 Abgeordneten, acht Abgeordnete fehlten wegen einer Erkrankung. Giffey erhielt damit zehn Stimmen mehr als sie zur absoluten Mehrheit brauchte. Da die Opposition von CDU, FDP und AfD auf 52 Stimmen kommt, fehlten Giffey rechnerisch drei Stimmen von Rot-Grün-Rot.
Doktortitel aberkannt
Angesichts des Unmuts, den es in Teilen der Linkspartei über den Koalitionsvertrag gegeben hatte, hat Giffey allerdings ein sehr gutes Ergebnis erzielt. Nach der Wahl wurde sie im Abgeordnetenhaus vereidigt. Giffey sprach den Eid mit dem religiösen Bezug „So wahr mir Gott helfe“. Sie fuhr dann zu ihrem Amtssitz, dem Roten Rathaus in Berlin-Mitte. Dort begrüßte sie im Treppenhaus ein Empfangsspalier aus 18 Schornsteinfegern, sie wünschten dem neuen Stadtoberhaupt Glück. Am Nachmittag wollte Giffey dann an der Ministerpräsidentenkonferenz mit Bundeskanzler Olaf Scholz (ebenfalls SPD) teilnehmen. Ein konstituierende Sitzung des neuen Senats wurde deshalb auf den Abend verschoben.
Giffey ist nicht die erste Frau, die die Geschicke der Stadt leitet – in den Jahren 1947 und 1948 hatte die Sozialdemokratin Louise Schröder Berlin als kommissarische Oberbürgermeisterin geführt, das Amt des Regierenden Bürgermeisters gibt es seit 1951. Giffey ist aber das erste Stadtoberhaupt, das aus der DDR stammt, aufgewachsen ist sie in Briesen bei Fürstenwalde. Auch ihr Vater, ein KfZ-Meister, ihr Bruder und ihr Sohn verfolgten am Montag die Wahl im Abgeordnetenhaus. 0
Ihre politische Karriere begann Giffey als Bildungsstadträtin im Berliner Bezirk Neukölln, mit 36 Jahren wurde sie Bezirksbürgermeisterin des Berliner Problem-Bezirks. Dort machte sie sich mit einem resoluten Vorgehen gegen Clan-Kriminalität einen Namen. Ihre umgängliche Art machte sie zudem in der Bevölkerung populär. Als Bundesfamilienministerin in der letzten Großen Koalition trat sie im Zuge einer Plagiatsaffäre im Mai dieses Jahres zurück – ihr Doktortitel wurde ihr aberkannt.
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JETZT F+ LESENBei der Wahl zum Abgeordnetenhaus erreichte die SPD 21,4 Prozent. Das war das historisch schlechteste Ergebnis der Berliner Sozialdemokraten. Allerdings hatte die Berliner SPD im Herbst 2020 noch bei 15 Prozent gelegen, und damit mehr als zehn Prozentpunkte hinter den Grünen und auch deutlich hinter der CDU. Den Wahlsieg verdankte die Partei also vor allem Giffey, hinzu kam ein zuletzt günstiger Bundestrend. Dennoch konnte sich Giffey nicht mit ihrer Idee durchsetzen, wie im Bund auch in Berlin eine Ampelkoalition zu bilden. Das verhinderten zum einen die Berliner Grünen, deren Landesverband links dominiert ist, zum anderen große Teile der ebenfalls linken Berliner SPD.