Sicherheit ist Anfang und Ziel von Integration
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Flüchtlinge folgen am 27. Oktober 2015 nahe der bayerischen Gemeinde Wegscheid einem Fahrzeug der Bundespolizei. Bild: dpa
Was tun, wenn der Wunsch nach einer vielfältigen und toleranten Gesellschaft nicht mit der Wirklichkeit zusammenpasst? Ein Gastbeitrag.
Deutschland diskutiert über Integration. Kontrovers und emotional. Es geht um die Verteilung von Ressourcen, um Respekt und Anerkennung, um Identität, Werte und Solidarität – und immer um Sicherheit. Wer über Integration reden will, muss über Sicherheit reden – und fängt am besten damit an, was in Deutschland los ist. Eine Lehrerin aus Niedersachsen erzählt mir von einem Jungen in ihrer vierten Klasse, Spross einer Großfamilie, verhaltensauffällig, aggressiv, der einem Mädchen die Faust ins Gesicht schlägt. Der Vater gibt der Lehrerin aus religiösen Gründen nicht die Hand, sondern fordert sie auf, den Jungen in den Griff zu bekommen. Die dritte Klassenkonferenz findet im Beisein der Polizei statt. Es ist ein kleiner Ort, die Familie ist stadtbekannt.
Was tun, wenn der Wunsch nach einer vielfältigen und toleranten Gesellschaft nicht mit der Wirklichkeit von Parallelgesellschaften und sozialen Verwerfungen zusammenpasst? Wenn kriminelle Machenschaften in einem Stadtteil überhand nehmen? Wenn bestimmte Gruppen meinen, ihre Ehre sei Grund genug, das Recht selbst in die Hand zu nehmen? Wenn Menschen Vielfalt grundsätzlich befürworten, aber konkret vor ihrer Haustür ablehnen? Wenn Jugendliche den deutschen Pass haben, aber stolz die Zugehörigkeit zur Nation ihrer zugewanderten Eltern bekunden? Integration und Nicht-Integration haben viele Gesichter. Wenn eine Gruppe von Migranten nur unter sich lebt und die deutsche Sprache nicht lernt, dann sind diese Menschen nicht integriert. Wenn reiche Familien sich hinter ihren Zaun zurückziehen und einen Wachschutz beauftragen, dann leben sie in einer Parallelgesellschaft. Wenn Akademiker ihren sozialen Beitrag nur auf Fachdiskussionen beschränken, dann verabschieden sie sich aus der Gesellschaft. Wenn ganze Familien sich in der Grundsicherung eingerichtet haben und jede Hoffnung aufgeben, dass sich ihre Lage ändern könnte, dann ist das ein Integrationsversagen. Wenn ein Steuerhinterzieher sich der gemeinsamen Finanzierung unseres Staates verweigert, dann verweigert er sich der Integration. Wenn ein Teil des Landes sich abgehängt und alleingelassen fühlt, dann ist auch das Ausweis gescheiterter Integration.
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