25 Jahre Abkommen von Dayton : „Die Verherrlichung von Kriegsverbrechern muss aufhören“
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März 1994: Niederländische UN-Soldaten im Gespräch mit bosnisch-muslimischen Kämpfern Bild: dpa
Valentin Inzko, Hoher Repräsentant der Staatengemeinschaft in Bosnien-Hercegovina, über die fragile Lage in dem Balkanstaat 25 Jahre nach Kriegsende, Fehler der Politik, das mangelhafte Interesse des Westens und warum er gerne gehen würde.
An diesem Montag ist es ein Vierteljahrhundert her, dass in Paris der Friedensvertrag unterzeichnet wurde, mit dem der jahrelange Krieg in Bosnien-Hercegovina beendet werden konnte. Gemessen an anderen westlichen Interventionen der Staatengemeinschaft, etwa in Afghanistan oder im Irak, gilt der Vertrag als Erfolg. Das Abkommen von Dayton, benannt nach der amerikanischen Luftwaffenbasis im Bundesstaat Ohio, in dem die Details ausgehandelt wurden, hat seit 25 Jahren den Frieden in Bosnien gewahrt. Doch noch immer ist in Sarajevo ein sogenannter „Hoher Repräsentant der Staatengemeinschaft“ eingesetzt, der als hochbezahlter Chef einer internationalen Behörde die Implementierung des Abkommens überwacht. Seit 2009 ist das der österreichische Diplomat Valentin Inzko. Im Gespräch erläutert er seine Sicht auf die Lage Bosnien.

Korrespondent für südosteuropäische Länder mit Sitz in Wien.
Herr Inzko, Sie sind jetzt seit etwa zehn Jahren Hoher Repräsentant der Staatengemeinschaft in Bosnien-Hercegovina. Was machen Sie eigentlich den ganzen Tag?
Meine Aufgabe ist es, die Einhaltung des Dayton-Vertrages zu überwachen, mit dem 1995 der Krieg beendet wurde. Ich bin die höchste Instanz, die diesen Vertrag interpretieren und bei Verletzungen oder Streit einschreiten darf. Mein Büro in Sarajevo hat eine exzellente Rechtsabteilung. Wir haben während meiner Amtszeit bisher etwa 9000 Anfragen von Staatsbürgern bekommen, hauptsächlich zu vermögensrechtlichen Fragen. Aber auch von Gerichten, etwa dem Verfassungsgericht. Außerdem verfassen wir regelmäßig Expertisen für verschiedene lokale und internationale Institutionen, mit rechtlichen Argumenten oder Handlungsempfehlungen. Gerade dieser Tage geht eine Publikation mit mehr als 600 Seiten in Druck, die unsere Tätigkeit zusammenfasst.
Hat das noch mit Friedenssicherung im engeren Sinne zu tun, für die das Amt ursprünglich geschaffen wurde – oder ist das nicht schon Mikromanagement?
Man muss das in der Abfolge sehen. Ich bin seit 1995 der siebte Hohe Repräsentant in Sarajevo. Meine Vorgänger haben unter anderem die staatlichen Symbole kreiert, etwa Flagge und Hymne des Landes. Eine der stabilsten Währungen der Region wurde eingeführt, die an der deutschen Mark orientierte „Konvertible Mark“. Es wurden gemeinsame Nummernschilder für Fahrzeuge verfügt. Da gab es Streit, weil die Serben kyrillische Buchstaben verlangten, Kroaten und Bosniaken hingegen lateinische. Schließlich hat man sich auf sieben Buchstaben geeinigt, die im Kyrillischen wie im Lateinischen identisch sind. Dazu kam eine Zahlenkombination. Da nun niemand mehr anhand solcher Nummernschilder erkennen konnte, woher ein Fahrzeug stammt, ließ sich so die Bewegungsfreiheit in Bosnien wieder herstellen, und das war nach dem Krieg extrem wichtig. Außerdem wurden – zu den drei ursprünglichen – sechs neue Ministerien geschaffen, einschließlich das Verteidigungsministeriums. Aus drei Armeen wurde eine. Am Ende dieser Phase wurde gesagt, man könne die Verantwortung nun wieder der lokalen Politik übertragen. „Local ownership“ hieß das Konzept. Aber es war nicht besonders erfolgreich. Deshalb ist mein Vorschlag, dass wir nun ein neues, drittes Kapitel aufschlagen und uns wieder an den stärkeren Interventionen der ersten Phase orientieren.
Was würde denn in Bosnien bei einer Schließung des Amtes des Hohen Repräsentanten geschehen? Brächen dann Ihrer Ansicht nach wieder Mord und Totschlag aus – oder würde das niemand bemerken?
Manche in Bosnien sind unzufrieden mit mir und sagen, ich intervenierte zu wenig. Andere erkennen an, dass ich viele schlechte Entwicklungen verhindern konnte. Etwa im Fall von Milorad Dodik, der im dreiköpfigen Staatspräsidium die Serben repräsentiert. Er spricht dauernd von der Abspaltung der bosnischen Serbenrepublik vom Rest Bosniens und hat auch versucht, die drei am bosnischen Verfassungsgericht eingesetzten europäischen Richter loszuwerden, obwohl deren Tätigkeit im Dayton-Vertrag vorgesehen ist. Zu meinen Aufgaben gehört es, solche Entwicklungen zurückzudrängen. Das ist wichtig, damit die gesamtstaatlichen Institutionen fortbestehen können. Im Falle einer Schließung des Amtes müssten wir auch überlegen, wer dann den Dayton-Vertrag mit seinen elf Annexen interpretieren würde.