Gaza-Konflikt : UN-Bericht wirft beiden Seiten Rechtsbruch vor
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Ein Jahr nach dem Krieg: Abendessen einer Familie in den Trümmern ihres Wohnhauses in Gaza-Stadt Bild: AP
Die Vereinten Nationen haben ihren Bericht über den Gaza-Krieg vorgestellt. Sowohl Israel als auch die Palästinenser haben demnach gegen das humanitäre Völkerrecht verstoßen.
Im Gaza-Krieg von 2014 haben nach Überzeugung der Vereinten Nationen sowohl Israel als auch die Palästinenser fundamentale Rechte der Zivilisten verletzt. Das geht aus dem am Montag in Genf vorgelegten Bericht der UN-Untersuchungskommission hervor. Das Gremium kritisiert unter anderem, dass Israel seine Angriffe selbst dann unvermindert fortgesetzt habe, als die immense Zerstörung von Wohnhäusern und die hohe Zahl ziviler Opfer klar geworden seien. Fragen aufgeworfen hätten insbesondere der Einsatz von Artillerie mit breit gestreuter Wirkung in dicht besiedelten Gebieten, die Zerstörung ganzer Wohnviertel in Gaza-Stadt und der regelmäßige Einsatz scharfer Munition bei Menschenansammlungen im Westjordanland. Den palästinensischen Kämpfern hält die Kommission vor, mit dem wahllosen Abschuss von Raketen auf Israel humanitäres Völkerrecht verletzt zu haben. Sie verurteilt ausdrücklich auch die Hinrichtungen angeblicher Kollaborateure ohne Gerichtsverfahren als Kriegsverbrechen.
Generell beklagen die Ermittler, dass die von beiden Seiten wegen etwaiger Kriegsverbrechen eingesetzten Untersuchungsgremien ihre Aufgaben nur unzureichend erfüllten. Umfassendes Aufdecken der Verantwortlichkeiten sei aber „ein Schlüsselfaktor für die Frage, ob Palästinensern und Israelis eine weitere Runde von Feindseligkeiten und Verletzungen internationalen Rechts künftig erspart bleibt“, heißt es in dem Bericht.
Netanjahu: Zeitverschwendung
Während des 50 Tage währenden Gaza-Kriegs waren im vergangenen Jahr 2250 Palästinenser getötet worden, unter ihnen 1400 Zivilisten. Auf israelischer Seite kamen mehr als 70 Menschen ums Leben. Unter ihnen waren sechs Zivilisten.
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Die israelische Regierung hatte nicht mit der UN-Untersuchungskommission zusammengearbeitet. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte die Lektüre des Berichts als reine Zeitverschwendung bezeichnet. Er hielt dem UN-Menschrechtsrat vor, mehr Resolutionen zu Israel verabschiedet zu haben als zu Syrien, Nordkorea und Iran zusammen. In Jerusalem hält man den UN-Menschenrechtsrat für voreingenommen und antiisraelisch. In dieser Ansicht sah man sich bestätigt, als im Januar der Vorsitzende der Untersuchungskommission William Schabas zurücktrat. Es war bekannt geworden, dass der kanadische Völkerrechtler Schabas für die Palästinensische Befreiungsorganisation PLO ein Rechtsgutachten erstellt hatte.
Auch viele westliche Regierungen sehen die Arbeit des UN-Menschenrechtsrates kritisch, der mit Blick auf den Gaza-Krieg ohnehin an Bedeutung verloren hat, nachdem im Januar der Internationale Strafgerichtshof eine Voruntersuchung zur „Lage in Palästina“ begonnen hatte. Palästina ist seit April Mitglied des Strafgerichtshofs. In den kommenden Tagen wollen die Palästinenser in Den Haag neues Beweismaterial gegen Israel vorlegen.
Trotz der Einwände gegen das UN-Gremium hatte sich die israelische Regierung intensiv auf dessen Bericht vorbereitet. Am 14. Juni legte sie einen fast 300 Seiten umfassenden eigenen Bericht vor, der den Krieg mit mehr als 2200 Toten aus israelischer Sicht schildert. Laut Netanjahu belegen die israelischen Untersuchungen, dass die Armee in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht gehandelt habe. Israel habe seine Zivilbevölkerung gegen eine „mörderische Terrororganisation verteidigen müssen, die ein doppeltes Kriegsverbrechen beging“, sagte Netanjahu. So habe sich die Hamas hinter palästinensischen Zivilisten verschanzt und aus Moscheen, Schulen und UN-Einrichtungen die israelische Bevölkerung angegriffen.