Gauland-Äußerungen : Sogar der AfD-Chef will Boatengs Nachbar werden
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Außerdem ist zu hören, dass er sich gar nicht gegen den von der Zeitung veröffentlichten Text wende, sondern lediglich bestreitet, Boateng beleidigt zu haben. „Ich kenne ihn nicht und käme daher auch nicht auf die Idee, ihn als Persönlichkeit abzuwerten“, heißt es in der Erklärung. Dann erwähnt Gauland nicht nur Boatengs christliches Glaubensbekenntnis, sondern auch dessen „gelungene Integration“. Das sorgt sogar bei dem einen oder anderen in der AfD für Stirnrunzeln, weil man sich fragt, wieso jemand, der in Deutschland geboren ist, einen deutschen Pass hat und hier lebt und arbeitet, auch noch eine Integrationsleistung erbringen soll.
Der neben Petry zweite AfD-Vorsitzende, Jörg Meuthen, hat sich gerade in jüngster Zeit eng an die Seite Gaulands gestellt. Kürzlich sagte er der F.A.Z. in einem Interview: „Bei Äußerungen von Herrn Gauland wird mir nie mulmig. Ich kenne ihn ja doch gut.“ Das bezog sich auf eine Aussage Gaulands, die Engländer müssten sich nicht mit Auschwitz „herumschlagen“. Lediglich dass das „vielleicht ein bisschen salopp“ gewesen sei, gestand Meuthen zu. Nachdem Petry am Sonntag Gaulands Äußerung zu Boateng kommentiert hatte, zog Meuthen nach. Er behauptete nicht etwa, die F.A.S. habe Gauland falsch zitiert. Vielmehr schrieb Meuthen, Gauland sei „komplett falsch verstanden“ worden. Gauland habe die Sache richtiggestellt, womit diese erledigt sein solle. Dann tat Meuthen es Petry gleich und verneigte sich vor Boateng. „Die AfD fiebert mit der deutschen Nationalmannschaft mit und ist stolz auf alle Spieler, die unser Land repräsentieren, egal, welche Religion oder Hautfarbe sie haben.“ Meuthen gehört nicht zu den Menschen, die den Bayern- und Nationalspieler nur auf dem Rasen mögen. „Wenn Herr Boateng sich eines Tages entschließen sollte, in meine Nachbarschaft zu ziehen, würde ich mich über ihn als neuen Nachbarn freuen.“
Enge Zusammenarbeit mit Pegida geplant
Das klang nach dem Versuch, Gauland zu verteidigen und zugleich den Schaden für die Partei in Grenzen zu halten. Meuthen ist Gauland-Freund. Frauke Petry würde wohl niemand in der AfD als solchen bezeichnen, was aber auf Gegenseitigkeit beruht. Gauland übt gerne auch öffentlich Kritik an der Parteivorsitzenden, zuletzt, als diese am Montag der vorigen Woche ein Gespräch mit dem Zentralrat der Muslime schon nach kurzer Zeit abbrach. Deshalb lohnt es sich, Petrys öffentliche Äußerung vom gestrigen Sonntag genau zu lesen. „Herr Gauland kann sich nicht erinnern, ob er diese Äußerung getätigt hat“, sagte die AfD-Vorsitzende. Und dann: „Ich entschuldige mich unabhängig davon bei Herrn Boateng für den Eindruck, der entstanden ist.“ Eine wuchtige Verteidigung sieht anders aus.
Der Kampf zwischen Petry und Gauland, der wohl als Machtkampf bezeichnet werden darf, könnte mit dem Sonntag noch einmal neuen Schwung bekommen haben. Ohne die Äußerungen des stellvertretenden AfD-Vorsitzenden über einen der prominentesten deutschen Fußballspieler wäre das vielleicht nicht ganz so sichtbar geworden. Aber die Kernfrage innerhalb der AfD – wie weit nach rechts darf und soll die Partei gehen auf der Suche nach ihren Wählern – hätte auch ohne das Thema Fußball neue Nahrung erhalten. Denn der rechtsnationale Parteiflügel unter Führung des Vorsitzenden der AfD-Fraktion im Thüringer Landtag, Björn Höcke, hat wieder einmal von sich reden gemacht. Es ging um das Verhältnis der AfD zur Protestbewegung Pegida, die sich gegen die „Islamisierung des Abendlandes“ wendet. Höcke machte klar, dass er ungeachtet eines gegenteiligen Vorstandsbeschlusses weiter eng mit Pegida zusammenarbeiten wolle. „Pegida ist ein Katalysator für uns“, sagte Höcke dem „Spiegel“. Kürzlich hatte Höcke einen Pegida-Organisator als Redner zu einer Demonstration eingeladen. Dies sei ein „wichtiges Signal“ gewesen, sagte er nun. Und noch einer hatte eine Meinung dazu: Alexander Gauland. Höcke, so sagte er der „Bild am Sonntag“, habe mit seinen Demonstrationen viele Menschen an die AfD gebunden. Deshalb habe er „ein gutes Recht, auch mal von einem Vorstandsbeschluss abzuweichen“. Petry wird das vernommen haben.