https://www.faz.net/aktuell/politik/g-20-gipfel-russland-verliert-rueckhalt-18463752.html

G-20-Gipfeltreffen : Putin am Pranger

Anstelle seines Herrn und Meisters: Der russische Außenminister Lawrow auf dem G-20-Gipfel auf Bali. Bild: dpa

Der Westen kann mit der Erklärung von Bali zufrieden sein. Für die Ukraine aber ist entscheidend, ob den Worten auch Taten folgen.

          1 Min.

          Mit einem diplomatischen Triumph beim G-20-Gipfeltreffen hat Moskau nicht rechnen können. Sonst wäre Putin selbst nach Bali geflogen. An seiner Stelle musste sein Außenminister versuchen, das Schlimmste zu verhindern: dass Russland wegen seines Überfalls auf die Ukraine an den Pranger der Weltöffentlichkeit gestellt wird. Dabei war Lawrow ungefähr so erfolgreich wie die russische Invasionsarmee in Cherson. Die „meisten“ Staaten verurteilen den Krieg „auf das Schärfste“ und die Drohung mit Atomwaffen als „unakzeptabel“. Auch wenn Russland dabei nicht ausdrücklich genannt wird, ist doch allen klar, wer gemeint ist.

          Noch direkter als durch die Abschlusserklärung dürfte Lawrow in den vor und auf Bali geführten Gesprächen erfahren haben, dass Russland auch an der diplomatischen Front zunehmend in die Defensive gerät. Moskau kann nicht mehr auf die wohlwollende Unterstützung durch Indien und China bauen. Putin schickte mit seinem Krieg die Weltwirtschaft auf Talfahrt. Auf diesem Schlitten sitzen auch die Inder, ganz vorn aber die Chinesen. Sie haben den Kreml sicher schon vor dem Gipfeltreffen wissen lassen, dass sie Drohungen mit der Atombombe nicht für ein geeignetes Mittel zur Belebung des Geschäfts­klimas halten.

          Xi Jinping will den Rücken frei haben für das Ringen mit Amerika

          Doch ganz aufkündigen will Peking die „grenzenlose Freundschaft“ mit Moskau nicht. Im Ringen mit Amerika um die Macht in der Welt möchte China den Rücken frei haben. Außerdem hat Xi Jinping zweifellos Verständnis für das Bedürfnis, Staaten, die seinesgleichen nur als abtrünnige und auf die schiefe Bahn der Demokratie geratene Provinzen betrachten, heim ins Reich zu holen.

          Vor diesem Hintergrund kann der Westen durchaus mit dem Verlauf des Gipfeltreffens zufrieden sein. Viel mehr war nicht zu erwarten. Der weitere Verlauf des Krieges in der Ukraine wird freilich davon abhängen, welche Taten der Erklärung von Bali folgen und wie sehr diese den Kreml beeindrucken.

          Berthold Kohler
          Herausgeber.

          Weitere Themen

          Topmeldungen

          Newsletter

          Immer auf dem Laufenden Sie haben Post! Die wichtigsten Nachrichten direkt in Ihre Mailbox. Sie können bis zu 5 Newsletter gleichzeitig auswählen Es ist ein Fehler aufgetreten. Bitte versuchen Sie es erneut.
          Vielen Dank für Ihr Interesse an den F.A.Z.-Newslettern. Sie erhalten in wenigen Minuten eine E-Mail, um Ihre Newsletterbestellung zu bestätigen.