
Enzyklika „Fratelli tutti“ : Ein Meilenstein des Dialogs mit dem Islam
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Papst Franziskus zelebriert am Samstag die Messe in der Krypta der Basilika St. Franziskus. Bild: Divisione Produzione Fotografica/Vatican Media/dpa
Zum ersten Mal nennt ein Papst einen führenden Vertreter einer anderen Religion als Inspirationsquelle für seine Enzyklika: den Großscheich der Al-Azhar-Universität in Kairo.
Papst Franziskus fordert in seiner neuen Enzyklika „Fratelli tutti“ eine brüderlichere Gesellschaft, die nach der Corona-Krise nicht einfach so weitermacht, wie vorher. Wer wollte ihm da widersprechen? Aber braucht es für diese nicht ganz neue Botschaft den Papst?
Man kann theologische Gründe dafür ins Feld führen. Stattdessen kann man aber auch auf die Vereinigten Staaten, Brasilien oder Russland verweisen: Zu den treuesten Anhängern Donald Trumps und Jair Bolsonaros zählen evangelikale Christen und die russisch-orthodoxe Kirche ist eine der Stützen von Wladimir Putins Herrschaft. Allein deshalb schon ist die neue Sozialenzyklika von Franziskus eine notwendige Erinnerung daran, dass Christen auch einen konstruktiven Beitrag zum politischen Leben leisten können.
Das Neue des Schreibens liegt ohnehin nicht in der Kapitalismus-Kritik oder den Willkommenskultur-Appellen. Bemerkenswert ist etwas Anderes: Erstmals nennt ein Papst einen führenden Vertreter einer anderen Religion als Inspirationsquelle für seine Enzyklika: den Großscheich der Al-Azhar-Universität in Kairo, Ahmad Muhammad al Tayyeb.
Es hat große Symbolkraft, dass die Enzyklika in der Wiedergabe einer gemeinsamen Erklärung mündet, die der Papst und der führende sunnitische Gelehrte im Februar 2019 unterzeichnet haben. „Fratelli tutti“ könnte so ein Meilenstein im katholisch-islamischen Dialog werden – wenn die muslimische Seite reagiert.