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Erdogan bei Macron : „Wenn du deine Fragen stellst, sei vorsichtig“

Eng beieinander und doch weit voneinander entfernt: Erdogan und Macron am Freitag in Paris. Bild: LAURENT/EPA-EFE/REX/Shutterstock

Beim Besuch in Frankreich nennt der türkische Präsident Journalisten „Gärtner des Terrorismus“. Zugleich warnt Erdogan vor der „Falle der Islamophobie“. Macron erteilt seinem Gast derweil eine Absage.

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          Frankreich und die Türkei haben bei einem Besuch des türkischen Präsidenten Erdogan in Paris Gemeinsamkeiten demonstriert, aber auch Differenzen zur Sprache gebracht. Der türkische Staatschef traf am Freitag mit seinem französischen Amtskollegen Emmanuel Macron zu einem Mittagessen im Elysée-Palast zusammen, um sich danach einigen Fragen von Journalisten zu stellen.

          Christian Schubert
          Wirtschaftskorrespondent für Italien und Griechenland.

          Der französische Präsident Macron machte Erdogan dabei klar, dass in den nächsten Jahren keine neuen Kapitel für die Beitrittsverhandlungen zur Europäischen Union eröffnet würden. „Ich würde lügen, wenn ich etwas anderes behaupten würde“, sagte Macron. Erdogan beklagte dagegen, dass sein Land seit Jahrzehnten „im Vorzimmer der EU“ festgehalten werde.

          Macron forderte dennoch, dass die Türkei ihre Verbindung zu Europa behält. „Wir haben eine Reihe von gemeinsamen Interessen und Herausforderungen, in erster Linie den Kampf gegen den Terrorismus“. Der französische Präsident thematisierte nach eigenen Angaben dabei ausdrücklich auch die Menschenrechtsverletzungen in der Türkei und legte eine Liste von inhaftierten Journalisten der Organisation „Reporters sans frontières“ vor.

          „Gärtner des Terrorismus“

          Erdogan blieb dagegen bei seiner harten Haltung und bezeichnete einige Journalisten „als Gärtner des Terrorismus“. Einem französischen Journalisten, der eine Frage nach türkischen Waffenlieferungen für islamistische Gruppen in Syrien stellte, warf der türkische Staatschef vor, wie ein Vertreter der Terrororganisation der Gülen-Bewegung zu sprechen, der die türkische Regierung den Putschversuch vom Juli 2016 vorwirft. Der Nachrichtenagentur Reuters zufolge sagte Erdogan in Richtung des Journalisten: „Wenn du deine Fragen stellst, sei vorsichtig. Und rede nicht mit den Worten eines anderen.“

          Die Türkei sieht Frankreich als einen Brückenkopf für eine Annäherung zur Europäischen Union. Nur weil Paris eine „rationelle Politik“ gegenüber der Türkei verfolge, bleibe „Europa eine großartige Hoffnung“, schrieb Erdogan in einem Gastbeitrag im „Figaro“. „Frankreich ist ein Land, dessen Ansichten und Haltungen zu regionalen und globalen Herausforderungen größtenteils mit unseren übereinstimmen“, hatte Erdogan vor seinem Abflug in Istanbul gesagt. Auf der Tagesordnung des bilateralen Treffens standen auch Flüchtlingsfragen, das Verhältnis von Israel und Palästina und der Krieg in Syrien.

          Die Beziehungen zwischen der Türkei und Frankreich sind durch deutlich konziliantere Töne gekennzeichnet als jene der Türkei mit Deutschland oder etwa den Niederlanden. Frankreich hat als erstes großes europäisches Land Erdogan in seine Hauptstadt eingeladen, seit gegen den türkischen Präsidenten im Juli 2016 ein Putschversuch unternommen wurde. „Brüche zu vermeiden“ ist die Leitlinie Macrons, die sich damit von der Politik der Bundeskanzlerin Merkel abhebt. Das Nato-Mitglied Türkei sei im Kampf gegen den Terrorismus, in der Flüchtlingskrise und im Krieg in Syrien zu wichtig, um den Gesprächsfaden abreißen zu lassen, heißt es im Elysée-Palast.

          „Sich in Schweigen zu hüllen, diktiert von moralischer Missbilligung, kann bequem sein, doch oft sind auf diesem Weg keine konkreten Ergebnisse zu erreichen“, hatte Macron am Mittwoch bei einem Neujahrsempfang für die Medienvertreter erklärt. Dass die Türkei in diesem Jahr zwei französische Journalisten aus der Haft entließ, sieht Macron als ein solches Ergebnis.

          In Frankreich ist diese pragmatische Linie aber durchaus umstritten. Die Oppositionsparteien im Parlament, vom Front National über die konservativen Republikaner bis zur Linkspartei LFI und den Kommunisten, äußerten Kritik. Amnesty International schaltete in der Tageszeitung „Libération“ eine Anzeige, um auf die Menschenrechtsverletzungen in der Türkei aufmerksam zu machen und Macron zu einer kompromisslosen Linie zu drängen.

          Beide Seiten suchen auch in Wirtschaftsfragen die Verständigung. Dazu wurde eine Reihe von Vereinbarungen unterzeichnet. Der französische Nuklearkonzern Areva will zusammen mit Mitsubishi aus Japan am Schwarzen Meer vier Atomreaktoren errichten. Airbus baut für die Türkei Satelliten, und zusammen mit Italien arbeiten Frankreich und die Türkei an einem gemeinsamen Projekt der Raketenabwehr.

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