Frankreich : Chirac will Zeichen der Erneuerung setzen
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Historischer Sieg: Jacques Chirac Bild: AP
Nach seinem historischen Wahlsieg über den Rechtsextremisten Le Pen hat der französische Staatspräsident Chirac heute einen neuen Premier ernannt.
Nach seinem historischen Wahlsieg über den Rechtsextremisten Jean-Marie Le Pen hat der französische Staatspräsident Jacques Chirac an diesem Montag einen neuen Premierminister ernannt: den Liberaldemokraten Jean-Pierre Raffarin. Als aussichtsreich galt zunächst auch der Neogaullist Nicolas Sarkozy.
Doch Raffarin traf schon am Montagvormittag im Präsidialamt ein, kurz nachdem der sozialistische Ministerpräsident Lionel Jospin seinen Rücktritt erklärt hatte. Die Franzosen hatten Chirac am Sonntag mit überwältigender Mehrheit im Amt bestätigt. Der konservative Amtsinhaber kam nach vorläufigem amtlichen Endergebnis auf mehr als 82 Prozent der Stimmen, der Rechtsradikale Jean-Marie Le Pen erhielt nur knapp 18 Prozent.
Die Wahlbeteiligung lag bei rund 80 Prozent. Chirac hat damit den höchsten Stimmanteil bei Präsidentschaftswahlen in der V. Republik erzielt. Der alte und neue Staatschef kündigte an, seine neue Amtszeit unter das Zeichen der Erneuerung der Republik zu stellen. „Ich habe den Appell der Franzosen verstanden“, sagte der 69-jährige Neogaullist.
„Präsident aller Franzosen“
In den Mittelpunkt seiner Politik will Chirac den Kampf gegen Gewalt und Kriminalität sowie für Wirtschaftswachstum und verbesserte Beschäftigung rücken. Er werde der „Präsident aller Franzosen“ sein, wiederholte er seine Worte von vor sieben Jahren. Dieses Mal hatte die Formulierung freilich eine besondere Bedeutung.
Im ersten Wahlgang hatte Le Pen, der Vorsitzende der Front National, überraschend den bisherigen, sozialistischen Premierminister Lionel Jospin hinter sich gelassen und aus dem zweiten Wahlgang verdrängt. Vor zwei Wochen waren nur 72, 3 der Franzosen zur Wahl gegangen. Insbesondere das linke Lager hatte nach Meinung der Wahlforscher seine Anhängerschaft nicht mobilisieren können. Seit dem 21. April gab es in ganz Frankreich Demonstrationen gegen Rechts. Ein Großteil der Parteien hatte dem Wahlvolk empfohlen, in der Stichwahl den Kandidaten der bürgerlichen Rechten zu wählen.
Le Pen tritt nach
Der unterlegene Kandidat Le Pen hat Chirac derweil vorgeworfen, die Wahl mit „sowjetische Methoden“ gewonnen zu haben. Le Pen sagte am Abend im französischen Fernsehen voraus, die „morbide Koalition", die zur Wahl Chiracs geführt habe, werde bald zusammenbrechen. Le Pen kündigte zudem an, bei der Parlamentswahl im Juni nicht für seine Partei kandidieren. Er werde aber den Wahlkampf für seine Partei führen. Die französische Nationalversammlung wird am 9. und 16. Juni neu gewählt.
Die Anhänger der FN schwanken derweil zwischen Enttäuschung und Trotz. „Wir sind nicht traurig“, sagte ein Sympathisant in der Wahlkampfzentrale Le Pens, „wir haben bereits am 21. April gesiegt. Jetzt schauen wir auf die Parlamentswahl im Juni.“ Ein anderer verbarg indes seine Niedergeschlagenheit nicht: „Chirac ist einen Pakt mit den Linken eingegangen.“
Schröder gratuliert
Bundeskanzler Gerhard Schröder gratulierte Chirac als erster ausländischer Politiker zu dem Erfolg und erklärte: „Das französische Volk hat den politischen Extremismus eindeutig abgelehnt.“ Eine Politik der Demagogie, der Missachtung der gemeinsamen Werte und der Abkehr von Europa sei kein Zukunftsmodell. Bundespräsident Johannes Rau schrieb in einem Glückwunschtelegramm an Chirac: „Die große Mehrheit unserer Völker will ein offenes, freies und tolerantes Europa.“ In Washington sprach ein Vertreter des Außenministeriums Chirac umgehend die Glückwünsche der USA zu seinem Sieg aus.
Als einen „Sieg für die Demokratie“ und Niederlage für die „extremistische und abstoßende Politik, für die Le Pen steht", würdigte der britische Premierminister Tony Blair die Entscheidung der französischen Wähler am Sonntag. Italiens Europa-Minister Rocco Buttiglione sagte, die Wahlentscheidung habe die feste Entschlossenheit Frankreichs deutlich gemacht, den gemeinsamen europäischen Weg weiter zu beschreiten. Ähnlich äußerte sich auch der Präsident der EU- Kommission, Romano Prodi. Frankreich habe gezeigt, dass es „im Herzen Europas“ bleibe, sagte Prodi.