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Wohnschiff unserer Identität: Dann denken wir alle an Florian Silbereisen. Bild: Wilhelm Busch

Fraktur : Friedensmacht zur See

Warum die „Gorch Fock“ unbedingt gerettet werden muss.

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          Wenn es so gekommen wäre, wie von Robert Harris im Roman „Fatherland“ erdacht, dann hieße der Stolz der deutschen Marine „Großadmiral Dönitz“, wäre ein Atom-U-Boot und läge in Trondheim. Weil es aber kam, wie es kommen musste, heißt der Stolz der deutschen Marine „Gorch Fock“, ist ein abgetakelter Seelenverkäufer und liegt schon seit Jahren in einem Trockendock in Bremerhaven. All jene, die meinen, das sei ein Skandal, haben zwar recht. Aber wäre uns die andere Variante wirklich lieber?

          Berthold Kohler
          Herausgeber.

          Schon diese Alternative erklärt, warum der Windjammer, der derzeit nur noch Jammer ist, so viele Fans hat. (Auch der Autor dieser Zeilen muss zugeben, dass er den Segler schon einmal im Maßstab 1:150 nachbaute.) Aus nachkriegsdeutscher Sicht gab und gibt es kein perfekteres Kriegsschiff als diese überaus zivile Schule der Nation.

          Unsere Fregatten und U-Boote liegen zwar auch meist völlig friedlich in der Werft. Doch hin und wieder müssen sie schon auslaufen, damit neue Schäden festgestellt werden können. Wenn diese grauen Wölfe sich dann mit kleinster Fahrt hinaus in die nächtliche Nordsee schleichen, sieht es immer ein bisschen aus, als hätten sie abermals Narvik zum Ziel oder Scapa Flow.

          Gleitet aber die „Gorch Fock“ mit vollen Segeln und weiß wie die Unschuld unter strahlender Sonne hinaus auf das weite Meer, dann können nicht nur unsere Nachbarn ganz entspannt bleiben. Dann summen auch die Deutschen auf dem Deich die Melodie vom „Traumschiff“ und denken an Sascha Hehn beziehungsweise Florian Silbereisen, wenn nicht an Hans Albers. Dabei ist die „Gorch Fock“ viel mehr als ein Vergnügungsdampfer: Sie ist seit sechs Jahrzehnten das Wohnschiff unserer neuen Identität als Friedensmacht (zur See). Den Berichten über ihren Zustand nach kann es in dem einzigen Kampf, den sie bisher führen musste, nur darum gegangen sein, über Wasser zu bleiben. Als Botschafterin unserer Friedfertigkeit aber leistete die Bark uns unbezahlbare Dienste in aller Welt.

          Die „Gorch Fock“ muss auch noch aus einem anderen Grund unbedingt gerettet werden. Wir sollten endlich mit der unseligen Tradition brechen, dass unsere maritimen Legenden in Tragödien enden. Man denke nur an die Seeschlacht 1914 bei den Falklandinseln und den letzten Mann der S.M.S. Nürnberg, an „Bismarck“ und „Admiral Graf Spee“, an U 47, an „Pamir“ und „Carin II“. Auch das erste „Traumschiff“ nahm an einem indischen Abwrackstrand ein albtraumhaftes Ende.

          Ewig nörgelnde Landratten werden jetzt wahrscheinlich einwenden, dass von der „Gorch Fock“ ebenfalls nicht viel mehr übrig sei als ein Gerippe. Doch selbst dessen Entsorgung würde mehrere Millionen kosten, jedenfalls in Deutschland. In Fernost bekäme man dafür vermutlich ein neues Schulschiff. Bei uns gelten auf den Werften eben strengere Stickoxid- und Feinstaubgrenzen.

          Die paar Millionen mehr muss uns das Wiederauftakeln der „Gorch Fock“ aber schon wert sein, selbst wenn sie danach nur noch so viele Originalteile haben wird wie die nagelneue Altstadt von Frankfurt. Doch auch das hat Symbolwert: Auf den neuen Geist kommt es an, nicht auf das alte Eisen! Wir jedenfalls würden daher auch nicht überbewerten, dass die „Gorch Fock“ ihren Namen von einem Heimatdichter hat, der 1916 in der Skagerrakschlacht fiel. Und dass das erste Segelschulschiff, das nach ihm benannt wurde, 1933 vom Stapel lief. 1933! Hoffentlich wurde das der Verteidigungsministerin ebenfalls verheimlicht, sonst landen auch noch die letzten Spanten der „Gorch Fock“ auf der Deponie für historisch belasteten Sondermüll.

          Sollte hier vielleicht der tiefere Grund dafür zu finden sein, dass im Zuge der Restaurierung jede rostbraune Niete am Schiffskörper ausgetauscht wird (#RostRaus)? Dann müsste man konsequenterweise nicht nur über neue Planken und Masten nachdenken, sondern auch über einen anderen Namen für unser Vorzeigeschiff, der auch besser mit dem neuen Traditionserlass vereinbar wäre. Warum also nicht gleich „Ursula von der Leyen“? Zeitgeistgemäß wären auch „Käpt’n Iglo“ oder „Hein Blöd“. Bevor es aber so weit kommt, müsste man wohl zu einer Maßnahme raten, mit der sich auch schon das Vorgängerschiff einer feindlichen Übernahme entzog, jedenfalls für ein paar Jahre: zur Selbstversenkung. Aber auch das würde natürlich an eine deutsche Marinetradition anknüpfen, mit der man heutzutage im Bendlerblock nichts mehr zu tun haben will.

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