Fraktur : Trumps Bazillen
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Ein Schwarm ohne freien Willen: Dann kann das nur im Chaos enden. Bild: Wilhelm Busch
Wer trotz fehlender Schwarmintelligenz die Welt wirklich beherrscht.
Die alten Griechen hatten die Antwort auf die Frage aller Fragen – wer sind wir, und wenn ja, wie viele? – schon in der Schlacht bei den Thermopylen gefunden (Spartaner, 300). Uns jüngere Europäer, die wir ja auch vergessen hatten, dass unsere Vorfahren lange vor Christoph Kolumbus zufällig Amerika betraten (wenn auch nur in Gestalt von Wikingern, bis zu denen sich immerhin Trumps Frisur zurückverfolgen lässt), trifft die Wiederentdeckung, dass wir Holobionten sind, aber wie ein Schlag in die Magengrube.

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Schließlich war schon die Erkenntnis schwer zu verdauen, dass wir keinen eigenen Willen haben, sondern dass unser Gehirn die Entscheidungen, die wir für die unsrigen hielten, glatt vor uns trifft. Nun aber müssen wir Spätzünder sogar noch der Tatsache ins Auge blicken, dass wir nicht nur zu zweit sind, also unser Gehirn und wir, sondern dass auch noch unzählige Bakterien auf und in uns mitbestimmen, wie es uns geht, was wir wollen, was wir tun und so weiter. Das erklärt nun zwar endlich, warum uns immer so ein starker Widerwille überkommt, wenn wir aus dem Drogeriemarkt eine Flasche Sagrotan mitbringen sollen – wie könnten unsere Symbionten die haben wollen? Doch bedeutet der Befund, dass der Mensch ein Schwarm ist, auch, dass in uns nicht nur einfach Gut und Böse miteinander streiten, sondern ganze Heerscharen von eigensinnigen Engelchen und Teufelchen. Wenn aber all diese unzähligen Bakterien ebenfalls keinen freien Willen haben (alles andere wäre deprimierend), sondern auch von biochemischen Prozessen fremdgesteuert werden, dann kann ihre Willensbildung ja nur im Chaos enden, was schließlich schon der Fall ist, jedenfalls in der Politik. Unser neuer Innenminister, dieser wandelnde Pluralismus, wäre dann aber kein Sonderfall mehr: Wir sind dann alle Seehofers.
Gesammelte Glossen. Mit Zeichnungen von Wilhelm Busch. Frankfurter Allgemeine Buch, Frankfurt a. M. 2017. 200 Seiten, Leinen geb., 17,90 €.
Zur BestellungSo Sie sich von diesem Schock erholt haben, wollen wir fortfahren; aber wappnen Sie sich, es kommt noch dicker. Denn es stimmt dann ja auch nicht, dass, was gelegentlich behauptet wird, Merkel uns sagt, was wir schreiben sollen, und dass Merkel von Trump gesagt bekommt, was sie uns sagen soll. Es ist gar nicht Trump – es sind seine Bazillen, stupid! Zum Glück ähneln sie charakterlich ihrem Wirtsorganismus, sonst hätten sie sich wohl kaum unter Ausnutzung der Befehlskette von Trump über Merkel bis zu uns in diesem Text erstmals als die wahren Beherrscher der Welt gebrüstet – und damit geoutet. Auch Schwarmintelligenz ist im Trumpschen Superorganismus eben nicht zu erwarten.
Jetzt, da uns von unseren kleinen Mitbewohnern die Augen geöffnet wurden, verstehen wir aber immerhin, warum zum Beispiel Dorothee Bär so gern twittert und postet, was für Süßigkeiten sie zu sich nimmt. Denn wenn es einen direkten Zusammenhang von Mikrobiom und Makropolitik gibt, dann muss nicht nur die Geschichte der Darmflora in großen Teilen umgeschrieben werden. Dann ist es auch beim Blick in die Zukunft der Menschheit oder wenigstens der Deutschen von entscheidender Bedeutung, welche Symbionten sich bei unseren Politikern einnisten.
Trumps vermutlich bevorzugte Methode, sich von Bakterien besiedeln zu lassen, wird in der deutschen Politik seltener gewählt. Hierzulande findet die Inkorporation von Mikroben vor allem durch die Nahrungsaufnahme statt. Der Politiker ist eben tatsächlich, was er isst. Es war im Sinne demokratischer Transparenz also durchaus lobenswert, dass Bär berichtete, welches Gebäck dem „Bundeskabinett“ genannten Megaholobionten in Meseberg aufgetischt wurden: „lecker Konferenzkekse“, wie sie schrieb. Doch wer hat diese so unwiderstehlich gebacken, geliefert, angerichtet? Hatten auch da die Russen ihre grindigen Finger im Spiel oder gar die Briten? In jedem Fall jemand, der sich mit dem Deutschen schwertut.
Unser Mikrobiom gibt uns aber gerade zu verstehen, dass es an dieser Stelle reiche mit den Enthüllungen. Auf wen genau dieser Befehl zurückgeht – am Ende noch auf die Bazillen von Stormy Daniels! – könnten wir beim besten Willen aber selbst dann nicht sagen, wenn wir einen eigenen hätten.