Immer wieder schreiben uns andere alte weiße Männer, dass sie diskriminiert würden, weil sie alt, weiß und Männer seien. Dafür könnten sie doch nichts! Und was sie denn dagegen machen sollten? Wir empfehlen ihnen dann, am besten erst einmal ihren Apotheker oder Urologen zu konsultieren. Denn wir wissen auch keinen Rat, der bei einem solchen dreifachen Übel sofort Abhilfe schaffen würde.
Am Alter lässt sich ja kaum etwas ändern. Schwarz schminken geht schon lange nicht mehr. Und als Rothaut verkleiden darf man sich nicht einmal mehr im Fasching. Noch am ungefährlichsten erschiene es uns, die Flucht aus der muffigen Männerecke in Frauenklamotten zu wagen. Es war nur früher heikel, im falschen Fummel erwischt zu werden, etwa als Preuße in einer Lederhose. Heutzutage dagegen muss man bloß etwas von Transgender murmeln, und schon hat man auch beim Gang zur Toilette die freie Auswahl, selbst auf dem Oktoberfest.
Mit ein bisschen Neid
Vorsicht sollte man jedoch immer noch walten lassen, wenn es darum geht, welche Frisur beziehungsweise Perücke bei der Verwandlung in eine Frau oder etwas anderes helfen soll. Die Wahl der Haartracht kann zu einer extrem haarigen Angelegenheit werden, wie der Fall der jungen weißen Musikerin Ronja Maltzahn zeigt.
Die wollte auf einem Konzert für den Frieden und gegen die Diskriminierung aufspielen, ist von Fridays for Future, Ortsgruppe Hannover, aber wieder ausgeladen worden, weil sie Dreadlocks hat. Also jene verfilzten Haarsträhnen, die wir alten weißen Männer nicht ganz ohne Neid als Zeichen für nicht nachlassendes Haarwachstum, erfrischenden Nonkonformismus und grenzenlosen Haschischkonsum gehalten hatten. Da sieht man wieder, dass wir zu Recht gehatet werden: Keine Ahnung von nichts!
Dreads können ein schweres Vergehen sein
Allerdings wusste, was uns wirklich wundert, auch die junge Musikerin nicht, dass es ein schweres Vergehen ist, wenn eine weiße Person, egal ob m, w oder n, Dreads trägt. Das ist nämlich wie das Blackfacing eine Form der „kulturellen Aneignung“, mit der man bestenfalls zeigt, dass man sich noch nicht ausreichend mit der sehr langen Geschichte des Kolonialismus, des Rassismus und der gegen sie kämpfenden Bewegungen auseinandergesetzt hat.
Die Bewegung Fridays for Future, Ortsgruppe Hannover, begründete das Auftrittsverbot auch noch damit, dass „das Auftreten einer weißen Person in Dreadlocks auf unserer Bühne für BiPoCs den Eindruck erwecken kann, dass diese Bewegung für sie keinen Safer Space darstellt“. Sie wissen nicht, was BiPoCs sind? Das sagt schon alles über Sie. Bei Ihnen ist Hopfen und Malz verloren.
Der jungen Musikerin aber traute Fridays for Future, Ortsgruppe Hannover, noch Läuterung zu: Sie dürfe auftreten, wenn sie sich zuvor die alten Zöpfe des mangelnden Problembewusstseins abschnitte. Dann aber fiel den jugendlichen Umweltaktivisten ein, dass auch das unmöglich ist, weil das Kürzen des Filzes ein Eingriff in die Privatsphäre der Künstlerin wäre. Ausweglos das Ganze, wie in einer griechischen Tragödie!
Undurchdringlich wie ein Stacheldrahtverhau
Etwas Gutes aber hat auch dieses Drama: Auf Putin, der ja immer noch über genügend Zuträger in Deutschland verfügt, muss diese Episode abschreckender wirken als alle schnellen Eingreiftruppen der NATO zusammen. Die westliche Antidiskriminierungskultur mit ihren Fallstricken kann ihm nur vorkommen wie ein Stacheldrahtverhau, in dem sich selbst kahl geschorene Invasoren hoffnungslos verfangen würden.
So gesehen war es vielleicht ein Fehler, dass Macron und Scholz ordentlich gekämmt beziehungsweise frisch poliert nach Moskau gefahren sind. Man stelle sich vor, die wären im Kreml mit Dreadlocks aufgekreuzt! Den Begriff übersetzt man bestimmt auch ins Russische mit: Locken zum Fürchten. Da hätte Putin aus Angst vor kultureller Ansteckung nicht nur auf sechs Meter Abstand bestanden. Und sich die Sache mit der Aneignung der Ukraine, dieses Vorpostens des bis in die Haarspitzen durchgedrehten Westens, vielleicht auch noch einmal überlegt.