Migration : Schäuble warnt vor Flüchtlings-„Lawine“
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Befürchtet „Flüchtlingslawine“: Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble vergangene Woche in Berlin Bild: dpa
Finanzminister Schäuble warnt vor einer Eskalation, der Unionsfraktionsvorsitzende Kauder betont dagegen: Die Bundeskanzlerin hat alles im Griff. Vizekanzler Gabriel fordert unterdessen, große Flüchtlingskontingente nach Europa zu holen.
Die anhaltende Flüchtlingsbewegung nach Deutschland und in andere europäische Staaten kann sich nach Einschätzung des Bundesfinanzministers Wolfgang Schäuble (CDU) zu einer „Lawine“ ausweiten. „Lawinen kann man auslösen, wenn irgendein etwas unvorsichtiger Skifahrer an den Hang geht und ein bisschen Schnee bewegt“, sagte Schäuble am Mittwochabend in Berlin. Ob die Lawine schon im Tal angekommen sei oder im oberen Drittel des Hanges, wisse er nicht, so der Minister weiter.
Die Einwanderung sei ein „Rendezvous unserer Gesellschaft mit der Globalisierung“. Den Druck der Migration könne Europa nur gemeinsam lösen. „Oder es kann ziemlich schlecht für uns alle werden.“ Deutschland könne das Problem nicht allein lösen, auch nicht mit Kontrollen an den Binnengrenzen.
Kauder: Kein Kurswechsel der Bundeskanzlerin
Der Unionsfraktionsvorsitzende Volker Kauder bestritt einen Kurswechsel in der deutschen Flüchtlingspolitik weg von einer Willkommenskultur. „Angela Merkel hat seit langem eine klare Vorstellung, wie auf die Flüchtlingsbewegung zu reagieren ist, ohne dass es Deutschland langfristig schadet“, sagte er der „Schwäbischen Zeitung“ vom Donnerstag. „Diese Punkte, die dafür notwendig sind, verfolgt sie konsequent. Ich sehe nicht, dass hier schleichend der Kurs geändert wird.“
Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir kritisierte Merkel hingegen: „Die ständigen Alleingänge von Innenminister Thomas de Maizière zeigen: Die Kanzlerin kann ihre Richtlinienkompetenz nicht mehr ausüben. Angela Merkel ist die Kontrolle über die schwarz-rote Bundesregierung ebenso entglitten wie die über die CDU“, sagte er dem Berliner „Tagesspiegel“ von diesem Donnerstag.
SPD weiter für Familiennachzug
Am Dienstag war bekannt geworden, dass Deutschland das zwischenzeitlich ausgesetzte Dublin-Verfahren zum Umgang mit Asylbewerbern wieder anwendet: Nach monatelangem Zustrom Hunderttausender Flüchtlinge will Berlin Asylbewerber wieder in diejenigen EU-Länder zurückschicken, über die sie in die Europäische Union eingereist sind. Die einzige Ausnahme soll Griechenland sein: In diesen EU-Staat werden Schutzsuchende wegen der dort herrschenden schlechten Aufnahmebedingungen schon seit längerer Zeit nicht mehr abgeschoben.
Auch hinsichtlich des Familiennachzugs für Asylbewerber aus Syrien will zumindest die Union die Voraussetzungen erhöhen. Beim Koalitionspartner SPD gibt es dagegen Widerstand.
SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte unterdessen, Deutschland und seine Partner müssten in eigener Regie große Zahlen von Flüchtlingen nach Europa holen. Ein solches Verfahren würde eine „geordnete Zuwanderung“ anstelle der derzeit ungeordneten Situation erlauben, sagte Gabriel am Donnerstag nach einem Treffen mit SPD-Kommunalpolitikern in Berlin. Zudem könne die Geschwindigkeit des Zuzugs besser gesteuert werden, und Schlepper würden die Grundlage für ihr gefährliches Geschäft verlieren.
Gabriel: Mittel für Wohnungsbau verdoppeln
Dem SPD-Chef geht es dabei nach eigenen Worten um „große Kontingente“ von Flüchtlingen. Sollten die europäischen Partnerländer zunächst nicht mitmachen, „muss Deutschland hier in Vorleistung gehen“, sagte Gabriel. „Es geht im Kern nicht um die Zahl der Menschen, die nach Deutschland kommen, sondern um die Geschwindigkeit, in der sie kommen“, sagte Gabriel. Diese Geschwindigkeit müsse im kommenden Jahr reduziert werden.
Die Integration der Flüchtlinge müsse dabei zu einer neuen Gemeinschaftsaufgabe von Bund, Ländern und Kommunen werden, forderte der SPD-Chef. Dabei gehe es um Ausbildung, Integration in den Arbeitsmarkt und Unterbringung. Die Bundesmittel für den kommunalen Wohnungsbau müssten verdoppelt werden.
Der Nürnberger Oberbürgermeister Ulrich Maly, der an der Konferenz in der SPD-Parteizentrale teilgenommen hatte, begrüßte die Hilfszusage. Gerade sozial schwache Bürger dürften nicht durch die Kosten der Flüchtlingskrise benachteiligt werden. „Die gleiche Empathie, die wir für die Flüchtlinge aufbringen, müssen wir auch für die aufnehmende Gesellschaft aufbringen“, sagte der SPD-Politiker.