Asyl-Politik der Union : Arbeitskräfte rufen, Flüchtlinge willkommen heißen
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Unions-Fraktionsvorsitzender Volker Kauder sieht kein Bedarf für ein Einwanderungsgesetz. Bild: dpa
Der Großteil der Flüchtlinge werde bleiben, sagt Volker Kauder. Für deren Integration müsse man alles tun. Für ein Einwanderungsgesetz sieht der Fraktionschef der Union keinen Bedarf.
„Viele von ihnen werden nach menschlichem Ermessen sehr lange bei uns bleiben“ hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Montag auf ihrer „Sommerpressekonferenz“ über die – die Zahl ist eigentlich geschätzt – 800.000 Flüchtlinge gesagt, die in diesem Jahr nach Deutschland kämen.
Der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Volker Kauder hat dies nun weiter konkretisiert. Nach einer Klausurtagung des Fraktionsvorstandes am Donnerstag sagte Kauder, 500.000 dieser Menschen würden „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit für immer“ bleiben. Für deren Integration müsse „alles“ getan werden.
Hinter Kauders Ankündigung steht auch das öffentlich vorgetragene Bekenntnis, Deutschland sei ein Einwanderungsland geworden. Der Fraktionsvorsitzende weiß, dass es maßgeblich Merkel war, die diesen Kurswechsel der CDU-Programmatik eingeleitet hat. Er unterstützt das, wie es sich für den Vorsitzenden einer „Regierungsfraktion“ gehört.
Merkel hatte das am Montag so vorgetragen: „Angesichts der Jubiläumsfeierlichkeiten der CDU habe ich davon gesprochen, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist. Wir erleben im Augenblick Einwanderung in einer sehr spezifischen Form, nämlich in diesem Falle durch Asylbewerber, durch Bürgerkriegsflüchtlinge.“
„Flüchtlinge“ müssten „gute Staatsbürger“ werden
Gesprächsweise kann Kauder an ein – auf die „Gastarbeiter“ der sechziger Jahre gemünztes Zitat des Schriftstellers Max Frisch – erinnern. „Wir riefen Arbeitskräfte, und es kamen Menschen.“ Kauder bezog das auf die Flüchtlinge von heute und suchte damit deutlich zu machen, die wegen mangelnder Vorausschau damals begangenen Fehler dürften nicht wiederholt werden.
Die Palette der Möglichkeiten reicht bei ihm von Sprach- und Ausbildungskursen über die Erleichterung von Arbeitsmöglichkeiten bis hin zu großzügiger Handhabung des „Familien- und Ehegattennachzuges“ und dessen Bewältigung. Aus den für immer in Deutschland bleibenden „Flüchtlingen“, so lautet sein Ziel, müssten „gute Staatsbürger“ werden. Vor allem die syrischen Flüchtlinge seien beruflich ehrgeizig. Sie wollten ein besseres Leben und dafür arbeiten.
Kauder sagte zwar, für ein „klassisches Einwanderungsgesetz“ sehe er keinen Bedarf. Auch Merkel hatte gesagt, ein solches Gesetz gehöre nicht zu den vordringlichen Aufgaben. Doch machten sie ebenso deutlich, dass die zu Zeiten Helmut Kohls geltende Linie („Deutschland ist kein Einwanderungsland“) angesichts der Realitäten nicht mehr gültig sei. „Die CDU spricht da ja nicht so gerne drüber, aber das lernen wir auch noch“, hatte Merkel auf der 70-Jahr-Feier der CDU Ende Juni gesagt.
Den Fraktionsvorsitzenden weiß sie an ihrer Seite. Offen blieb freilich, was aus einer Vorstandsvorlage für den CDU-Parteitag im Dezember wird. Viele „gute Ansätze“ – gemeint waren: geltende Regelungen – zur Einwanderung sollten „widerspruchsfrei“ in einem neuen Gesetz gebündelt werden, heißt es darin. Der Begriff „Einwanderungsgesetz“ wurde vermieden. Kauder äußerte einerseits, er wolle dem Parteitag „nicht vorgreifen“, machte andererseits aber deutlich, nichts davon zu halten. „In dieser Legislaturperiode sehe ich ein Einwanderungsgesetz nicht.“
„Wirtschaftliche Notlage ist kein Asylgrund.“
Der CDU/CSU-Fraktionsvorstand beschloss ein Papier. Verfolgte Flüchtlinge seien zu schützen und in Deutschland aufzunehmen. Restriktive Maßnahmen wurden mit Blick auf Asylbewerber aus Staaten des westlichen Balkan gefordert. Der Missbrauch des Asylrechts sei zu bekämpfen. Die Verfahren müssten beschleunigt werden. Abgelehnte Asylbewerber seien rasch in ihr Heimatland abzuschieben.
Die Beschleunigung der Verfahren sei notwendig, um den wirklich Verfolgten helfen zu können. Fluchtursachen seien zu bekämpfen. „Wirtschaftliche Notlage ist kein Asylgrund.“ Der Kreis der „sicheren Herkunftsländer“, in denen es politische Verfolgung nicht gebe, sei zu erweitern. Es dürften „keine falschen Anreize“ geschaffen werden, nach Deutschland kommen zu wollen. Deshalb solle in den Aufnahmeeinrichtungen „Sachleistungen statt Bargeld“ geben. „Pull-Effekte“ seien zu vermeiden, sagte die CSU-Landesgruppenvorsitzende Gerda Hasselfeldt.
Von Änderungen des Grundgesetzes ist in dem Beschluss nicht die Rede. Eine Änderung des Grundrechts auf Asyl lehnte Kauder („Null Veränderung am Asylrecht“) – wie auch der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel – ausdrücklich ab. Selbst wenn Wünsche erfüllt würden, eine Regelung über „sichere Herkunftsländer“ in die Verfassung zu schreiben, bliebe das „Grundrecht auf Asyl als Individualrecht“ erhalten, sagte er.
Finanzhilfen für Kommunen vom Bund „unwahrscheinlich“
Gegebenenfalls könne es Grundgesetzänderungen bei verwaltungsrechtlichen Kompetenzen geben. Dass die Möglichkeit geschaffen werde, der Bund könne unter Umgehung der Länder direkte Finanzhilfen an die Gemeinden leisten, sah er als unwahrscheinlich an. Die Landesregierungen seien dagegen – mithin auch der Bundesrat.
Am Sonntagabend wird sich der Koalitionsausschuss von CDU/CSU und SPD mit den Folgen der großen Zahl einreisender Flüchtlinge befassen. Die Partei- und Fraktionsvorsitzenden sowie die zuständigen Minister werden dabei sein. Die Gespräche mit den Landesregierungen werden vorbereitet. Am 24. September sollen auf einem „Bund-Länder-Flüchtlingsgipfel“ Beschlüsse gefasst werden; so schnell wie möglich sollen die Gesetze verabschiedet werden.
Das Koalitionsgespräch am Sonntag wird nach dem Stand der Dinge eher ein Fachgespräch als eine streitig-politische Auseinandersetzung sein. „Wir werden zu einer Einigung kommen“, sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann. Auch am kommenden Mittwoch wird das Thema im Mittelpunkt stehen: In der Generalaussprache des Bundestages über den Bundeshaushalt 2016.
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