IMK-Vorsitzender Lewentz : „Der Verfassungsschutz muss Pegida beobachten“
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Plakat am Montagabend bei der Pegida-Demonstration in Dresden Bild: AFP
Der Hass der Pegida-Anhänger könnte Kreise ziehen, befürchtet der Vorsitzende der Innenministerkonferenz. Für ein Verbot der Bewegung sieht der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz im FAZ.NET-Gespräch aber wenig Chancen.
Herr Lewentz, die Hetzparolen auf der Pegida-Demonstration am Montagabend in Dresden haben ganz Deutschland schockiert - was muss die Politik angesichts der wachsenden Radikalisierung jetzt tun?
Ganz eindeutig Haltung gegen diese unerträgliche Hetze zeigen. Denn wir spüren eindeutig, dass rechtsextreme Kreise in der ganzen Republik versuchen, die Stimmung, die auch durch Pegida in der Bevölkerung geschürt wird, aufzugreifen und für sich zu instrumentalisieren. Morgen haben wir zum Beispiel eine Demonstration im Westerwald, in der Nähe einer Erstaufnahmeeinrichtung, bei der ein AfD-Mitglied sehr harte Rechtsextremisten als Redner eingeladen hat. Ich befürchte, Parolen wie in Dresden werden wir in den nächsten Tagen an vielen Stellen in Deutschland hören.
Ihr Parteivize Ralf Stegner fordert eine Beobachtung von Pegida durch den Verfassungsschutz - wie stehen Sie dazu?
Es ist für mich völlig klar, dass der Verfassungsschutz eine Bewegung wie Pegida beobachten muss - auch dauerhaft. Und ich bin sicher, dass er das am Montagabend in Dresden schon sehr genau getan hat. Wer gesehen hat, dass dort Galgen für Frau Merkel und Herrn Gabriel mitgeführt wurden und wer die Hetzreden über Konzentrationslager und andere Dinge gehört hat, der kann keinen Zweifel daran haben, dass das ganz eindeutig eine verfassungsfeindliche Gesinnung ist.
Pegida-Begründer Lutz Bachmann, der sich von dem Redner Akif Pirincci distanziert hat, war das angeblich ja nicht so klar...
Wer sich solche Redner einlädt, der will das so. Und der steht selbst nicht mehr auf der Basis unserer Verfassung.
Hans-Peter Uhl, Rechtsexperte der Union, fordert, Polizei und Staatsanwaltschaft müssten bei solchen Demonstrationen künftig schon vor Ort einschreiten und ermitteln. Ist das sinnvoll?
Es ist sinnvoll, dass Festnahmeeinheiten der Polizei bei Demonstrationen mit dabei sind, aber deren Hauptaufgabe ist es, Gewalt zu verhindern. In einer aggressiv aufgeladenen Stimmung als Polizei einzelne Demonstranten herauszuholen, weil sie mit Hetzplakaten oder -parolen auffallen, halte ich für sehr gefährlich, weil das eine Eskalation der Gewalt eher befördert. Die Veranstaltungen zu dokumentieren und im Nachhinein gegen strafrechtlich relevante Aktionen vorzugehen, halte ich für den besseren Weg.
Manche bringen jetzt auch ein Verbot von Pegida ins Spiel - halten Sie das, vor allem im Lichte des schon einmal gescheiterten NPD-Verbotsverfahrens - für durchsetzbar?
Als Innenminister weiß ich, wie schwierig ein Verbotsverfahren durchzusetzen ist, deshalb sehe ich derzeit für ein Pegida-Verbot kaum Chancen. Die letzten Tage zeigen aber, wie dringend und richtig ein NPD-Verbot ist, auch wenn die Bundesregierung und der Bundestag sich dem Antrag der Länder nicht angeschlossen haben. Die aktuellen Entwicklungen belegen, wie wichtig es gewesen wäre, dass auch Bundestag und Bundesregierung ein Verbotsverfahren mitgetragen hätten.
Der neue NPD-Verbotsantrag des Bundesrats liegt derzeit in Karlsruhe. Beurteilen Sie die Erfolgschancen jetzt besser als noch vor einigen Monaten?
Die Richter in Karlsruhe werden auch anhand der Dinge entscheiden, die wir ihnen vorlegen. Ich halte es für durchaus vorstellbar, dass wir ihnen aus der aktuellen Situation heraus neue Erkenntnisse vorlegen können, die im Verfahren eine Rolle spielen könnten. Auch an den Richtern des Bundesverfassungsgerichts wird nicht vorbeigehen, was derzeit in der Republik geschieht.
Die Mehrheit der Deutschen hält die Politik in der Flüchtlingskrise für völlig kopflos und traut ihr keine Lösung der Krise mehr zu – das hat auch eine aktuelle Allensbach-Umfrage im Auftrag der F.A.Z. ergeben. Was kann die Politik dem noch entgegnen?
Wir müssen das Angstgefühl der Bevölkerung ernst nehmen und ihr Vertrauen, da wo verloren, zurückzugewinnen. Dazu gehört, sie angemessen zu informieren - etwa darüber, dass die Kriminalität in den Erstaufnahmeeinrichtungen viel geringer ist, als viele es befürchten. Gleichzeitig müssen wir klar machen, dass die Flüchtlingskrise nicht unser einziges Thema ist, sondern dass wir uns weiter um die Belange unserer Bevölkerung kümmern - um die Weiterentwicklung der Kommunen, um neue Straßen, den sozialen Wohnungsbau. Unser erster Blick gilt weiter den Menschen, die hier leben - trotzdem müssen wir klar machen: Den Flüchtlingen müssen wir uns annehmen, und dieser Hass, diese Fremdenfeindlichkeit, dieser Rechtsextremismus sind mit uns nicht zu machen.
Die Regierung debattiert darüber, Transall-Maschinen für die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber einzusetzen - halten Sie das für sinnvoll?
Ich höre ja immer, dass die Transportkapazitäten der Luftwaffe generell sehr eingeschränkt sind, weil Maschinen immer wieder aus technischen Gründen am Boden bleiben müssen. Ich bin der Bundeswehr sehr dankbar dafür, dass die Bundeswehr uns bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise hilft. In Rheinland-Pfalz setzen wir allerdings sehr erfolgreich auf freiwillige Ausreiseprogramme. Das heißt, abgelehnte Asylbewerber verlassen das Land ohne große Schwierigkeiten, auch weil sie eine kleine finanzielle Anlaufhilfe erhalten, um sich eine Existenz insbesondere in den Westbalkanstaaten aufzubauen. Diese Menschen muss ich gar nicht erst hinausklagen oder mit Hilfe der Polizei zur Ausreise zwingen. Das ist ein viel vernünftigerer Weg, als sie mit Transall-Maschinen auszufliegen.