Hamburg und die Flüchtlinge : Der Widerstand wächst
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Anwohner protestieren am 25. Oktober im Stadtteil Neugraben-Fischbek mit einem Demonstrationsumzug gegen die Errichtung einer großen Flüchtlingsunterkunft Bild: dpa
Hamburg muss in diesem Jahr 40.000 Flüchtlinge unterbringen – und sucht händeringend nach Unterkünften. Immer mehr Bürger wehren sich, nicht nur im noblen Stadtteil Harvestehude.
Die Suche nach Unterkünften für die Flüchtlinge hat in Hamburg inzwischen Formen der Verzweiflung angenommen. Der Senat beauftragte in seiner Not alle sieben Bezirke der Stadt, Flächen bis zu einer Größe von acht Hektar zu melden, um dort Flüchtlingsunterkünfte zu errichten. Der Druck ist enorm. Hamburg muss in diesem Jahr mit 40.000 Flüchtlingen rechnen. Nun aber mehren sich die Fälle, da Bürger Widerstand leisten. Nicht gegen Flüchtlingsunterkünfte an sich, wie sie betonen. Wohl aber gegen die Größe. Und die geplanten Unterkünfte sind sehr groß. So sollten etwa in Klein Borstel, einem Stadtteil im Bezirk Nord, auf 1,8 Hektar 13 sogenannte Modulhäuser entstehen für 700 Flüchtlinge. Das Gelände war früher ein Friedhof. Der Flächennutzungsplan besagt deshalb, es dürfe nur eine „friedhofsbezogene und gärtnerische“ Nutzung geben. Aus diesem Grund hat das Verwaltungsgericht die Pläne der Hamburger Sozialbehörde vorerst gestoppt.
Die Behörde hatte bei ihrer Entscheidung für Klein Borstel auf das Polizeirecht zur Gefahrenabwehr verwiesen, um so das Baurecht umgehen zu können. Nun gilt ein Baustopp. Die Behörde hat sogleich Beschwerde gegen die Entscheidung eingelegt. Der Fall könnte nun vor das Oberverwaltungsgericht kommen. Geklagt hatte der Verein „Lebenswertes Klein Borstel“. Die Begründung: Die Bewohner seien nicht ausreichend informiert worden. Würde doch die Flüchtlingsunterkunft direkt neben einem Neubaugebiet liegen.
Der Verein hat den Hamburger Anwalt Gero Tuttlewski eingeschaltet. Tuttlewski vertrat auch schon jene Anwohner, die Ende des vergangenen Jahres gegen den Ausbau einer Bundeswehrliegenschaft an den Sophienterrassen im noblen Stadtteil Harvestehude erfolgreich geklagt hatten. Der Fall war bundesweit beachtet worden, weil er in der politischen Auseinandersetzung verkürzt wurde auf den Satz: Die besseren Stadtteile wollen keine Flüchtlinge. Das versuchte denn auch die damals noch allein regierende SPD im Wahlkampf auszunutzen. Vor einigen Wochen endete der Streit in einem Vergleich: Die Unterkunft wird gebaut, es kommen aber weniger Flüchtlinge als ursprünglich geplant. So ähnlich könnte es auch in Klein Borstel laufen. Den Baustopp sieht der Verein als „Erfolg der Rechtsstaatlichkeit, die auch in der aktuellen Flüchtlingskrise ein hohes Gut ist“.
Noch viel größer als in Klein Borstel soll im südlichen Hamburger Stadtteil Neugraben-Fischbek gebaut werden. Auch dort zum Unmut der Nachbarn. Es geht um Unterkünfte für bis zu 3000 Menschen, direkt neben zwei weiteren Flüchtlingseinrichtungen. Auch hier gibt es inzwischen eine Bürgerinitiative, auch sie wird von Tuttlewski vertreten. „Nein zur Politik – Ja zur Hilfe“ heißt sie. Neugraben-Fischbek hat 27.000 Einwohner. Setzte Hamburg seine Planungen durch, wäre schon bald jeder fünfte Einwohner dort ein Neuzugang. Die Bürgerinitiative will erreichen, dass maximal 1500 Flüchtlinge nach Neugraben-Fischbek kommen.
Widerstand wächst schließlich auch in Bergedorf, wo im sogenannten Gleisdreieck 800 Wohnungen als Steinhäuser für mehr als 3000 Flüchtlinge entstehen sollen, ebenfalls direkt neben einer Eigenheimsiedlung. Die CDU hat sich dort an die Spitze der Bewegung gestellt: Die Bürger seien nicht einbezogen worden. Anderswo wehren sich sogar schon die Kommunen gegen Großunterkünfte. Wie etwa in Groß Weeden im Hamburger Umland. Dort hatte das zuständige holsteinische Amt Berkenthin das drei Hektar große Gelände einer früheren Diskothek dem Land buchstäblich vor der Nase weggekauft. Das Land hatte eine Unterkunft für 1500 Flüchtlinge geplant. Auch das Amt will dort Flüchtlinge unterbringen, plant aber deutlich kleiner: elf Häuser für 100 bis 150 Bewohner.